ROSA STÄNDCHEN

Sedat Aslan

Sedat Aslan

Redakteur und Moderator beim Filmfest 2022

Ich habe 2022 zum ersten Mal beim Filmfest gearbeitet, war zunächst in der Redaktion tätig, bin dann aber auch gefragt worden, ob ich ein paar Moderationen übernehmen möchte. Ein Termin war die Premiere des neuen Films von Rosa von Praunheim, REX GILDO – DER LETZTE TANZ im Sendlinger Tor Kino. Ich habe mich auf diese Moderation gefreut, weil ich von Praunheim als Filmemacher schätze; DIE BETTWURST von 1971 genießt nicht nur bei mir Kultstatus und steht auf der Liste meiner absoluten Lieblingsfilme, gleichberechtigt neben Meisterwerken wie DER PATE. Als langjähriger Insasse der HFF München konnte ich außerdem aus der Distanz schmunzelnd vernehmen, dass von Praunheim als Professor an der Filmhochschule in Potsdam einen sehr unkonventionellen Lehrstil pflegte, seine Student:innen unter anderem in einen S&M-Kellerclub hinabführte, um sie aus ihrer Komfortzone herauszuholen und somit ihre Kreativität freizusetzen.

Insofern war ich durchaus aufgeregt, als ich seinen Film in Anwesenheit des Meisters höchstselbst und seiner Teammitglieder vor einem vollen Kinosaal anmoderierte. Ich stellte ihn als „einen der wichtigsten Regisseure der Nachkriegszeit“ vor, der auch einen meiner persönlichen Lieblingsfilme gedreht hatte. Das war nicht zu dick aufgetragen: Immerhin hat er eine Karriere von mehr als fünfzig Jahren hingelegt, dabei Pionierarbeit in der Darstellung von Homosexualität im westdeutschen Kino und TV geleistet, trotz unzähliger Widerstände und Anfeindungen. Als ich ihn also ansagte, hüpfte dieser potent gebliebene Mann von fast 80 Jahren schwebenden Schrittes zu mir auf die Bühne und war offenbar von diesem warmen Empfang so bewegt, dass er zu meiner Überraschung meine Hand ergriff und sagte: Ich möchte dir jetzt ein Liebeslied singen.

Dann sang er mir in einer Kunstsprache, die vage Assoziationen ans Französische weckte, „La vie en rose“ im Speziellen, zur Freude des gesamten Kinosaals ein Ständchen ins Mikrofon. Man konnte zwar nichts verstehen, doch ein tieferer Sinn vermochte sich schon zu übermitteln, so dass mir nichts anderes übrigblieb als zu erröten und mich vor ihm zu verneigen. Es war ganz im Sinne seiner Didaktik, sich und seine Umwelt in Situationen zu bringen, die ungewöhnlich sind und das kreative Element und die Emotion aus dem Moment zu schöpfen.

Dieses besondere, rosarote Ständchen wird mir unvergesslich bleiben.

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