AUF DER SCHÖNEN ISAR

Ein Highlight des Filmfests ist die alljährliche Floßfahrt auf der Isar. Seit 2003 können Gäste des Filmfests einen Tag lang auf dem Fluss schippern, nur während der Pandemie war dies nicht möglich. Die Idee zur Floßfahrt hatte Andreas Ströhl. Hier ein paar Erinnerungen des ehemaligen Festivalleiters.

 

 

 

 

 

 

 

 

IMG 3175

TYPISCH BAYERISCH

 

Mich haben Flüsse schon immer fasziniert. Ich bin in Sendling aufgewachsen, meine Großeltern hatten in Thalkirchen einen Garten. Die Isar war also stets in meiner Nähe. Ich bin sie auch einmal ganz zu Fuß abgegangen; zudem bin ich später die Donau einmal der Länge nach mit dem Fahrrad abgefahren.

Als ich 2002 an einem Konzept fürs Filmfest arbeitete, dachte ich darüber nach, was ich bei anderen Festivals erlebt und beobachtet hatte. Normalerweise sehen die Gäste einige Filme oder präsentieren ihre eigenen, werden vielleicht mit Preisen geehrt, dann in ein Restaurant zum Essen eingeladen und das war’s im Großen und Ganzen. Letztlich bekommen sie aber so gar kein richtiges Gefühl dafür, an welchem Ort sie eigentlich gewesen sind.

Ich erinnerte ich mich gleichzeitig daran, wie schön ich das bei manchen Festivals gefunden hatte, wenn ich auch bestimmte lokale Sehenswürdigkeiten erleben durfte. Zum Beispiel hatten mich Aki und Mika Kaurismäki zu ihrem Midnight Sun Film Festival in Sodankylä eingeladen, einem Örtchen nördlich des Polarkreises. Das Festival findet während der Sommersonnenwende statt, das heißt, es scheint ununterbrochen die Sonne, was schon mal besonders ist. Während des Festivals gab es dann auch noch eine Tangoparty mitten im Wald, was ich super fand – das werde ich nie vergessen! Oder ich war mal beim Kinofest in Lünen, zu dessen Programm unter anderem der Besuch eines Steinkohlebergwerk gehörte, das noch in Betrieb war. Das war eine spektakuläre Erfahrung: Wir wurden 1200 Meter unter die Erde geschafft und haben dort das Bergwerk aus nächster Nähe besichtigt. Dabei habe ich übrigens auch Joachim Król kennengelernt, der ebenfalls zu Gast war und mit dem ich seither befreundet bin.

Mit diesen Erinnerungen im Kopf habe ich mir überlegt, dass man doch auch beim Filmfest irgendetwas Typisches für München machen könnte. Etwas, was charakteristisch für die Stadt ist, was man als Gast woanders nicht kriegt und woran man sich auf jeden Fall erinnern würde. So kam ich auf die Floßfahrt. Die war typisch bayerisch, sehr idyllisch und hatte den Vorteil, dass keiner weglaufen konnte. Einfach mal keine Interviews und sonstige Termine, sondern einen halben Tag lang Entspannung und die Möglichkeit, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Als ich dann Leiter des Filmfests wurde und die Floßfahrt tatsächlich umsetzte, haben viele sehr gerne dieses Angebot angenommen!

 

IMG 1984
IMG 2004

Der Angermeier Michi

FLEISCH IST SEIN GEMÜSE

 

Um die erste Floßfahrt beim Filmfest 2003 vorzubereiten, bin ich mit unserem technischen Leiter Horst Knitterscheidt zu dem Flößer hingefahren, dem Angermeier Michi. Wir haben mit ihm auch über die Verpflegung der Gäste gesprochen. Ich fragte ihn, was es denn normalerweise auf dem Floß gibt. Er meinte, ja, Leberkässemmeln halt! Ich fand Leberkässemmel super, aber meinte zu ihm, dass wir auch was für die Gäste bräuchten, die grundsätzlich kein Schweine- oder Rindfleisch essen. Kurz, wir brauchten auch was Fleischloses. Er schaute uns an, dachte kurz nach und sagte: „Ja… Hendl!“ Das fand ich total gut. Letztlich gab es auch einen Spinatauflauf, aber bei der Busfahrt zum Floß habe ich immer wieder gerne die Durchsage gemacht: „Also, für die, die kein Fleisch mögen, gibt es auf dem Floß Hendl!“

 

ALLES, WAS MAN BRAUCHT

 

Bei der ersten Floßfahrt war Willy Michl an Bord, den einige unserer japanischen Gäste vermutlich bis heute für einen richtigen Indianer halten. Außerdem waren bei der ersten Fahrt die Kaurismäki-Brüder dabei. Das waren mit die ersten, die ich damals angeschrieben habe: Ich habe beiden geschrieben, dass ich jetzt auch Leiter eines Filmfestivals sei und dass sie jetzt wiederum zu mir kommen müssen! Und sie kamen. Unter den Augen von Akis Frau Paula musste ich erstmal die gesamte Minibar im Hotelzimmer ausräumen, wir haben Aki stattdessen einen Kasten alkoholfreies Bier hingestellt. Er ist auch nicht mit zur Floßfahrt gekommen, weil er Angst hatte, dass er dem Alkohol dort nicht widerstehen könnte. Sein Bruder Mika ist aber mitgefahren. Ich werde nie vergessen, wie er ankam. Auf dem Floß war bereits das Essen angerichtet, ein Holzfass Bier stand da, es gab ein Plumpsklo. Mika hatte eine fiese Sonnenbrille auf, nickte mir zu und sagte: „Alle Achtung, hier gibt es ja wirklich alles, was man braucht!“ Das hat ihm wirklich Respekt abgenötigt. Aki war später schon ein bisschen traurig, dass er nicht mitgefahren ist.

FFM2004 EG Akiundmikakaurismäki 09

Der Angermeier Michi und Mika Kaurismäki

FFM06 3387

Noch funktionsfähig am Ruder: Terry Gilliam

EIN FLÖSSER KENNT KEINEN SCHMERZ

 

Terry Gilliam war 2006 beim Filmfest und auch bei der Floßfahrt dabei. Er hatte einen Verband am Handgelenk, weil er vor seiner Anreise in einen Rasenmäher gegriffen hatte. Bei dieser Verletzung sollte es nicht bleiben: Kurz vor der Floßlände sind ein paar Limonadenflaschen vermutlich wegen der Hitze geplatzt. Eine Glasscherbe hat Terry leicht am Bein verletzt, woraufhin diese martialisch aussehenden Rettungsschwimmer ihn verarztet haben. Er hat das sehr genossen. Und ging dann dramatisch hinkend, am Handgelenkt und Bein verbunden, die Floßlände hinunter und hat sich über diese Show wahnsinnig gefreut. Bei einer anderen Floßfahrt, an einem Regentag rutschte Lee Daniel, der Kameramann von Richard Linklater, in nicht unbedingt nüchternem Zustand auf dem nassen Holz aus und brach sich eine Rippe. Ansonsten verliefen die Floßfahrten aber ohne große Blessuren!

A BISSL BLUES

 

Auf dem Floß gab es immer auch Musik. Einmal, 2008, unterhielt uns so ein junger Typ von zwanzig Jahren mit seiner Gitarre. Er war Teil des Casts von John Sayles‘ HONEYDRIPPER. Der junge Mann hatte nach der Kinovorführung ein bisschen Blues auf seiner Gitarre gespielt, nun machte er auf dem Floß weiter. Ich meinte zu ihm, Mensch, für einen Schauspieler kannst du aber echt gut spielen! Er entgegnete, dass er gar kein Schauspieler sei, sondern tatsächlich Bluesgitarrist. Gary Clark Jr. war sein Name. Vor einiger Zeit habe ich ein Buch über die Musik in den USA geschrieben, unter anderem über die Entwicklung des Blues. Da schrieb ich auch über ihn: Gary Clark Jr. gilt heute als einer der wichtigsten Bluesgitarristen der USA, mit seinen Auftritten füllt er ganze Stadien. Damals klampfte er auf dem Floß (zum YouTube Video).

IMG 3198