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Fragmente einer Diskussion

Redaktion
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Drei Tage wurde Ende März in der Evangelischen Akademie Tutzing intensiv diskutiert über das Thema Teilhabe im Film. Wir wollen hier verschiedene Stimmen zu Wort kommen lassen - kurz und prägnant. In der Hoffnung, dass dies zu weiteren Diskussionen anregt auch mit denen, die nicht dabei sein konnten.

Fragmente einer Diskussion

Wir beginnen mit der Keynote von Memo Jeftic

Mein Name ist Memo Jeftic. Ich bin TV-Journalist und Produzent. Memo ist mein Spitzname. Mein richtiger Vorname ist Nemanja, aber wenn ich diesen nutze, geht die Hälfte der deutschen Bevölkerung davon aus, dass ich eine Frau bin, weil in Deutschland traditionell nur Frauennamen auf „a“ enden. Memo lässt sich auch leichter buchstabieren, wobei viele am Telefon erstmal fragen „Wie der Fisch?“ und ich sie korrigiere mit „Nein, wie der gelbe Zettel.“

BR Tagung Teilhabeimfilm 25032022 Memojeftic 2

 

Nemanja. Wie leicht wäre das Leben mit meinem Vornamen gewesen, es hätte einen berühmten Schauspieler gegeben, der so heisst wie ich? Am besten einen aus einem beliebten Tatort. Dann könnten mir alle beim Vorstellen sagen: „Nemanja? Cool, wie der aus dem Tatort“.

Memo Jeftic

Aber wenn mein Gegenüber Werner hieße, müsste ich dann nicht auch sowas sagen wie „Werner? Cool, wie der mit dem Schiff?“

Werner. Mir ging das Herz auf, als ich im Teenageralter erfuhr, dass Werner Herzogs Mutter aus Kroatien stammt und gebürtig Stipetic heisst. Itsch wie bei Jeftic ist immer gut. Damit war Werner Herzog ganz klar Jugo für mich. Ebenso Kirk Douglas der eigentlich Issur Danielowitsch heisst und damit ebenfalls ganz klar Jugo für mich und meine Freunde war. Und klingt Tom Hanks nicht viel eher nach einem Tomislav Hankovic? 

Das Verhältnis der deutschen Bevölkerung zu Menschen mit Migrationsgeschichte an der Aussprache und Kenntnis ihre Namen festzumachen ist nicht gerade fair. Wie oft habe ich mir als Journalist eine App gewünscht die mir ausländische Namen korrekt ausspricht? Für diese Tagung sehr sogar.

Ganz im Gegensatz zu einer Berlinale-Party im Jahr 2019 auf der vor allem diejenigen unterwegs waren, die in Film und TV zu entscheiden haben wer Filme machen darf und wer nicht. Dort war es sehr einfach mit den Namen. Sehr, sehr einfach.

Aus meiner Beobachtung an diesem Abend, dass migrantische Namen immer weniger werden um so höher man in der Hierarchieleiter des german cinematic universe steigt - bis sie ganz oben angelangt gänzlich verschwinden - entstand die Idee meine Doku Kino Kanak über Diversität im deutschen Film zu machen. Manche der heute hier Anwesenden haben vor meiner Kamera über ihre Erfahrungen und Wünsche gesprochen. Für den Mut muss ich euch explizit danken. Denn was die Doku nicht abbilden konnte, waren all diejenigen, die nicht vor die Kamera wollten. Die, die Angst hatten als schwierig zu gelten und deswegen nicht mehr gefragt zu werden.  

Und das in einer Zeit wo ausnahmslos alle in dieser Branche für mehr Vielfalt vor, hinter und in der Kamera sind!

Mhm. Weil sie wichtig ist. Und sich richtig anfühlt. „Und gab es nicht erst kürzlich einen Artikel darüber wie erfolgreich Serien sind die voll auf Diversity setzen? Gleich mal auf Facebook teilen!“ Doch Artikel lassen sich leichter teilen als Jobs. Es wundert mich, dass man bis heute keinen einzigen Menschen mit Migrationsgeschichte zur Chefin eines deutschen Fernsehsenders oder einer Filmredaktion einer Filmförderanstalt gemacht hat um wenigstens sagen zu können: „Aber! wir! haben! doch! jemanden“ wenn mal wieder jemand mit Migrationsgeschichte aufmuckt. 

Migrant klingt auch immer ein wenig wie Migräne. Das Thema ist ja auch sehr kompliziert. Gastarbeiter, Zuwanderer, Flüchtlinge, die Frage ob Deutschland überhaupt ein Einwanderungsland ist, ab wann beginnt Deutschsein, ist alles eine Frage des richtigen Habitus, haben wir ein Elitenproblem wie in Frankreich, ist es wichtig was die Zuschauer*innen wollen, ab wieviel Prozent beginnt die Mehrheitsgesellschaft, wer sind gute Einwanderer, wer die schlechten, wie hängt das mit der Hautfarbe zusammen, gehört der Islam zu Deutschland, warum können Copyright-Deutsche maximal 5 Worte Türkisch - es ist wirklich so - und mit 1000 anderen Fragen kann man sich beschäftigen -  wenn man eine Antwort darauf sucht, warum das alles so kompliziert ist mit der Vielfalt im deutschen Film. 

So komplex wie das Thema ist, kann es keine einfachen Lösungen geben. 

Deswegen meine Bitte: Bleibt im Gespräch. Solidarisiert euch. Wartet nicht darauf, dass ihr immer nur dürft. Steht füreinander ein und sprecht miteinander. Film ist teuer und wo es teuer ist - ist es nie gerecht. Und trotzdem können wir versuchen es besser zu machen. Durch neue Ideen, Wagnisse, Versuche und Bündnisse.

Das Aufmucken haben wir ja schon ganz gut drauf.

Memo Jeftic

Keynotes vom BFI Film Fund

 

Neben vielen deutschen Gästen aus der Branche, kamen auch Mia Bays, Melanie Hoyes und Agnieszka Moody aus London zu der Tagung. Hier können Sie ihre Keynotes und ihr englischsprachiges Panel anschauen.

Look to diverse talent and underrepresented groups to offer solutions because they have them. And then you turn the tables and look at the institutions who have to be more receptive of diversity to help them realize that when they don’t, they risk not being relevant anymore.

Agnieszka Moody, BFI
BR Tagung Teilhabeimfilm 27032022 Agnieszkamoody
BR Tagung Teilhabeimfilm 26032022 P Tyronricketts 6

 

 

 

 

 

 

 

Vier Männer im writer’s room erzählen sicherlich keine sonderlich gute Geschichte über eine schwangere Frau. Vielleicht schon auch ab und zu, aber höchstwahrscheinlich nicht.

Tyron Ricketts

 

 

 

 

 

 

 

Man muss sich Leitlinien geben. Man muss klare Vorgaben haben innerhalb von Sendern, bei Förderern, in Kinofilmen, damit sich Dinge verändern.

Dr. Maria Furtwängler
Presse Furtwaengler(C)Mathias Bothor Sw
BR Tagung Teilhabeimfilm 26032022 P Sherihagen 3

 

 

 

 

 

 

Es gibt die Talente, es gibt die Geschichten. Sie liegen wie Steine auf der Straße - man muss sie nur aufheben.

Sheri Hagen

 

 

 

 

 

 

 

Talent is ever­y­where, oppor­tu­nity is not.

Melanie Hoyes
BR Tagung Teilhabeimfilm 26032022 Melaniehoyes 11

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