1993-2002

 

 

 

 

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WER DAS LEBEN LIEBT, LIEBT DAS KINO

 

1993 brach die zweite Festival-Dekade mit Eberhard Hauff als Leiter an. Einige Reihen wie die „American Independents“ und „Neue deutschsprachige Filme“ hatten sich fest etabliert. Weitere Länderschwerpunkte, insbesondere mit Werken aus Frankreich und aus Lateinamerika, kamen hinzu. 1994 war das FILMFEST MÜNCHEN eines der ersten Festivals, das eine Reihe mit neuen Fernsehfilmen einführte. Neben dem „Förderpreis Deutscher Film“ der Hypo-Bank und dem „One-Future-Preis“ der Interfilm Akademie entstanden weitere Preise. Nationale wie internationale Stars kamen für Werkschauen und Hommagen nach München; 1997 wurde erstmals der CineMerit Award verliehen. Das Programmer-Team um Eberhard Hauff war indes gut eingespielt: Klaus Eder, Robert Fischer und Uschi Reich waren für das Internationale Programm, Ulla Rapp für die „American Independents“ und Ulrich Maass für den deutschen Film zuständig. Hans und Christel Strobel leiteten das Kinderfilmfest.

Gewitzt-kreativ erwies sich das Team allein schon, wenn es darum ging, rote Fäden im Knäuel der ausgewählten Filme zu finden. 1993 lautete das Festivalmotto zum Beispiel „648 Stunden Liebe, Hass und Leidenschaft“.

Eberhard Hauff dazu im Vorwort zum Katalog: „Was wir bieten? Ein grandioses Panorama der Conditio humana, eine 648 Stunden dauernde Reise zu den Ursprüngen und Motiven von Liebe, Hass und Leidenschaft, bei der jeder als Augenzeuge dabei sein und sich beteiligen kann“.

Ein Jahr später verkündete Hauff im Vorwort zum Katalog „Wer das Leben liebt, liebt das Kino“. Noch ein Jahr später lautete das Motto (sicherlich mit den besten Absichten): „Das Schönste am Film sind die Frauen“. Ansonsten hieß Hauff zum „Festival der großen Gefühle“ willkommen (1997), sprach von „Augenblicken des Glücks“ (1998), fand „Kino total genial“ (1999) oder war „vom Kino besessen“ (2000). Dass ihm „Die Lust am Sehen“ (2001) vor allem „The Magic of Movies“ (2002) vor Augen führte, dessen konnte man sich gewiss sein. Etwas überraschend ist hingegen sein „ganz persönliches Bekenntnis“ im Katalog-Vorwort 1996: „Ich bin im Kino am liebsten ganz allein. Nur mit mir und dem Geschehen auf der Leinwand. So erlebe ich Filme am intensivsten. Aber das mag die Marotte eines Festivalleiters sein.“ Und wie hieß es dann doch in der Überschrift? „Im Kino ist man nie allein.“

 

 

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DIE EHRENGÄSTE

München hat ein wunderbares Festival. Es ist unglaublich, wie voll die Kinos mitten im Sommer sind. Hier habe ich mich viel mehr zuhause gefühlt als auf anderen glamourösen Festivals. München bietet reines Kino für ein echtes Publikum.

Claude Sautet, Ehrengast 1993

Über die Jahre hinweg konnte das FILMFEST MÜNCHEN zahlreiche Ehrengästen willkommen heißen. Im Rahmen von Hommagen, Tributes und Portraits wurden unter anderem geehrt: die britische Schauspielerin Charlotte Rampling (1993), der portugiesische Regisseur Manoel de Oliveira (1995), der für sein RAIN MAN-Skript oscarprämierte Drehbuchautor Ron Bass (1996), die US-amerikanischen Regisseure Budd Boetticher (1995), Jules Dassin und John Milius (beide 1997), die französischen Regisseure Claude Sautet (1993), Claude Chabrol (2000) und Jean-Pierre Jeunet (2001).

„Jean-Pierre Jeunet, dem das Filmfest ein Portrait widmet, zelebriert mit seinem neuesten Werk LE FABULEUX DESTIN D’AMÉLIE POULAIN auf verzaubernde Weise die Lust am Sehen und bestätigt François Truffauts Erkenntnis, dass das Kino immer dann grandios geworden ist, wenn es ihm gelingt, die Wirklichkeit zu übertreffen. Zugleich zeigt er uns, dass in jedem Menschen etwas Wunderbares und Einzigartiges schlummert. Kann man vom Kino mehr verlangen?“ (Eberhard Hauff im Katalog von 2001)

Auch Filmgrößen Asiens wurden regelmäßig gewürdigt, zum Beispiel die in ihrer Heimat Sri Lanka als Star gefeierte Schauspielerin Anoja Weerasinghe (1996), der iranische Regisseur Majid Majidi (2000) und die indische Filmemacherin Aparna Sen (2002).

 

Jedes Jahr gab es eine oder mehrere Retrospektiven mit Werken einzelner Drehbuchautor:innen/ Regisseur:innen oder mit Filmen aus bestimmten Ländern und Kontinenten. 1993 wurden mehrere Filme der „fünften Generation“ Chinas als auch des „Early Black Cinema“ gezeigt. Es folgten Werkschauen mit den Filmen von Nanni Moretti und Michael Haneke (1994), Nelson Pereira dos Santos und Nicolas Roeg (beide 1995), Robert Wise (1996), Ann Hui (1997), Francesco Rosi (1998), Roman Polanski und Karel Zeman (1999), Milos Forman (2000), Matthias Müller und Ulf Stark (2002).

Ab 1997 wurden mit dem CineMerit Award „herausragende Persönlichkeiten des internationalen Filmschaffens für ihre Verdienste um die Filmkunst“ geehrt. Mit Susan Sarandon und Jules Dassin gab es 1997 gleich zwei Preisträger:innen. Es folgten: Produzent Eric Pleskow und Regisseur Francesco Rosi (1998), Produzent Marin Karmitz (1999), Regisseur Miloš Forman (2000), Schauspielerin Jacqueline Bisset und Regisseur Manoel de Oliveira (2001) sowie Schauspielerin Barbara Hershey (2002).

Hier geht es zur Gesamtliste der Gewinner:innen.

Rodriguez Hayek 1996

Robert Rodriguez und Salma Hayek

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Robert De Niro mit Isolde Barth

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Spike Lee und franka potente

Manchmal kamen die Stars ohne spezielle Würdigung zur Präsentation ihrer neuen Filme nach München. Nachdem er 1994 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet worden war, schaute Quentin Tarantino mit PULP FICTION auch in München vorbei. Im gleichen Jahr war Robert De Niro da, dessen Regiedebüt A BRONX TALE auch als Eröffnungsfilm gezeigt wurde. Im Rahmen der Reihe „Previews“ von 1996 wurde FROM DUSK TILL DAWN gezeigt, Regisseur Robert Rodriguez und Darstellerin Salma Hayek (die mit der Schlange tanzt) erschienen gut gelaunt zur Pressekonferenz. Der georgische Regisseur Otar Iosseliani stellte 1999 seinen Film MARABUS! vor. 2000 lief SUMMER OF SAM im „Internationalen Programm“, in Anwesenheit von Regisseur Spike Lee. Großer Besuch stand auch im Jahr 2001 an: Jean-Luc Godard kam mit seinem Film ÉLOGE DE L’AMOUR zum Festival.

JUNGES EUROPÄISCHES KINO

 

Neben den „Großen Premieren“ von Werken etablierter Regisseur:innen sollte auch der Filmnachwuchs gefördert werden. Das Internationale Festival der Filmhochschulen, das bereits zwei Jahre vor dem ersten Filmfest, im Jahr 1981, mit HFF-Professor Wolfgang Längsfeld als Leiter und zunächst mit dem Titel „1. Europäischer Studienfilm Wettbewerb“ veranstaltet wurde, fand einige Jahre im Sommer, gleichzeitig zum Filmfest statt, splittete sich dann aber wieder ab und wanderte in den etwas kälteren November. Spielstätte für das Nachwuchsfestival war zunächst die HFF München, dann das Filmmuseum. 2021 kehrte das Festival nach vielen Jahren in die HFF zurück.

Unter dem Titel „Perspektiven“ gab es beim Filmfest schon früh eine Reihe mit neuen Werken junger europäischer Filmemacher:innen. Ab 1993 wurden dann „Internationale Entdeckungen“ in der Reihe „High Hopes“ gemacht. Eberhard Hauff im Katalog-Vorwort:

„Hier werden Filme zu sehen sein, die sich durch jugendliches Engagement, durch Widerspruch oder neue ästhetische Konzeptionen definieren, ein Kino des Anfangs und der großen Hoffnungen. Außergewöhnliche Talente wie Francesca Archibugi, Ildikó Szabó, Valerij Pendrakowskij oder Philippe Muyl bestimmen in dieser Sektion die Szene.“

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ralph ineson, Jude Law und sean pertwee

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Leonardo DiCaprio mit Programmer Robert Fischer

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Prost! Alexander Payne bleibt beim Bier.

Wenngleich manche der genannten Namen heute nicht unbedingt bekannt klingen mögen, so kamen im Rahmen der „High Hopes“-Reihe immer wieder Filmemacher:innen und Schauspieler:innen nach München, die später bekannt werden sollten, Jude Law zum Beispiel, Hauptdarsteller in Paul Andersons SHOPPING (Filmfest 1994). Der aus heutiger Sicht prominenteste Gast war sicherlich Leonardo DiCaprio, der in Scott Kalverts THE BASKETBALL DIARIES die Hauptrolle spielte.

Bis 1996 fand die „High Hopes“-Reihe statt. Danach wurde sie zwar aufgelöst, aber ein Jahr später gab es den von der Gesellschaft zur Wahrnehmung von Film- und Fernsehrechten (GWFF) gestifteten, zunächst mit 50 000 DM dotierten „High Hopes Award“, mit dem die Produzent:innen des besten Nachwuchs-/Debütfilms aus dem „Internationalen Programm“ ausgezeichnet wurden. Als Erstes, im Jahr 1997, gewann die Komödie CITIZEN RUTH; Regisseur Alexander Payne war zur Präsentation des Films angereist. 18 Jahre und zwei Drehbuch-Oscars später wurde er beim Filmfest 2015 mit einer Werkschau im Filmmuseum geehrt und kehrte dafür nach München zurück.

FILME ÜBER FILME, Open-air FIlme, ABARTIGE FILME

 

Eine Reihe, die sowohl zu Eberhard Hauffs Zeiten als auch später immer wieder auftauchen sollte, ist „Lights, Camera, Action!“ Hier wurden neue Werke gezeigt, die sich mit dem Kino selbst beschäftigen, mit berühmten Filmen und Filmemacher:innen, markanten Ästhetiken und ikonographischen Drehorten. Unter dem nicht gerade griffigen Titel PICTURE THIS: THE TIMES OF PETER BOGDANOVICH IN ARCHER CITY, TEXAS (Filmfest 1993) beschäftigte sich George Hickenlooper zum Beispiel mit Bogdanovichs THE LAST PICTURE SHOW und der 20 Jahre später gedrehten Fortsetzung TEXASVILLE.

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Prost! George Hickenlooper genießt das Filmfest.

 

Alle Jahre wieder fand im Gasteig-Forum, im Hof des Gasteigs, ein nächtliches Open-Air-Programm statt. Auf einer hoch über den Köpfen aufgespannten Leinwand wurden Klassiker unter bestimmten Motti gezeigt. 1993 präsentierte das Filmfest zum Beispiel in Kooperation mit der Lufthansa-Kulturförderung „Himmlisches Kino – Filme vom Fliegen“, darunter waren Werke wie Billy Wilders LINDBERGH: MEIN FLUG ÜBER DEN OZEAN und Kurt Hoffmanns QUAX, DER BRUCHPILOT. 1995 wurden „Deutsche Filme 1945“ gezeigt, 1997 junges deutsches Kino, von ABGESCHMINKT bis MÄNNERPENSION. 1999 liefen Filme von Roland Emmerich, 2000 Tanzfilme von den 1970ern (SATURDAY NIGHT FEVER) bis in die 1990ern hinein (STRICTLY BALLROOM).

 „Willkommen im Reich von Horror, Sex und Exploitation, in der Welt erlesener Scheußlichkeiten, der dekadenten Erotica, der knallbunten Pulp Fiction. Wer sich diese Filme anschaut, begibt sich auf ein unsicheres Terrain jenseits des sogenannten guten Geschmacks“.

So lautete die Einleitung zum Katalog-Text für die 1996 initiierte Reihe „Off Limits“. Inspiriert von den „Midnight Movies“-Schienen anderer Festivals, mit Lust am „Kino des Bizarren“ wurden 15 Filme gezeigt, darunter Buddy Giovinazzos COMBAT SHOCK, Roger Vadims LA JEUNE FILLE ASSASSINÉE, Dario Argentos LA SINDROME DI STENDHAL und Seijun Suzukis NAKITO – PROFIS DER LIEBE. Ein langes Leben war dieser grenzsprengenden Reihe aber nicht gegönnt: Nach einem Jahr wurde sie wieder eingestellt.

 

 

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Bong Joon-ho erhält den High Hopes Award.

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Jean-Marc Barr mit Produzent Pascal Arnold und gertraud müller-ernstberger.

LÄNDERSCHWERPUNKTE

 

Immer wieder wurden im Filmfest-Programm Schwerpunkte mit verstärktem Blick auf das Kino bestimmter Nationen und Kontinente gesetzt, von der bereits erwähnten Werkschau zum chinesischen Kino der fünften Generation (Filmfest 1993) über einen „Focus on British Cinema“ (Filmfest 1998), zu dem auch Iain Softley mit seiner Romanverfilmung THE WINGS OF THE DOVE kam, bis hin zu einem Special zum „Jungen asiatischen Kino“ (Filmfest 2001), unter anderem mit HUNDE, DIE BELLEN, BEISSEN NICHT von Bong Joon-ho. Der Film wurde mit dem High Hopes Award ausgezeichnet (für Produzent Min-hwan Cho). Bong Joon-ho kam 2010 erneut mit MOTHER nach München; 2019 für eine Werkschau, bei der auch PARASITE gezeigt wurde, sein neuer Film, der zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Goldenen Palme von Cannes prämiert worden war und später vier Oscars gewann, darunter als erste fremdsprachige Produktion in der Geschichte der Oscars für den besten Film.

Das französische Kino hatte beim Filmfest schon immer eine zentrale Rolle gespielt. 1996 bekam es eine eigene Reihe, zunächst unter der Bezeichnung „Junges französisches Kino“; später setzte sich der Titel „Nouveau Cinéma Français“ für einige Zeit durch. Die Reihe wurde über die Jahre hinweg vornehmlich von Robert Fischer programmiert; zu den eingeladenen Gästen gehörten unter anderem IM RAUSCH DER TIEFE-Star Jean-Marc Barr, dessen Regiedebüt LOVERS beim Filmfest 1999 lief und der dafür gemeinsam mit Co-Autor und Co-Produzent Pascal Arnold mit dem High Hopes Award ausgezeichnet wurde.

Ab 1999 wurde auch dem lateinamerikanischen Kino eine eigene Reihe gewidmet: die „Visiones Latinoamericanas“. Die Bandbreite der Filme reichte „von Mexiko bis nach Feuerland“, wie es im Katalog von 2001 heißt, mitsamt einem Artikel von Florian Borchmeyer, der später die Sektion kuratieren sollte. „Ist das denn wieder so etwas mit alten Männern, die fliegen können?“, sei eine Frage, die er, Borchmeyer, „selbst von cineastisch gebildeten Bekannten zu hören“ bekomme. Einerseits wurde der magische Realismus der „Flügel-Opas“ in manchen Filmen weiterhin gepflegt; andererseits gab es einen Aufbruch im lateinamerikanischen Kino, den die Sektion eindrucksvoll abbildete: zum Beispiel 2001 mit LA CIÉNAGA der jungen argentinischen Regisseurin Lucrecia Martel, die viele Jahre später, beim Filmfest 2018, mit einer umfassenden Hommage gewürdigt wurde.

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Chris Hegedus und D. A. Pennebaker

Die von Ulla Rapp kuratierte Reihe „American Independents“ wurde erfolgreich weitergeführt, mit gelegentlichen Specials, zum Beispiel 1995 mit Filmen von und über Trash-Regisseur Ed Wood oder den ersten Gehversuchen späterer Hollywood-Größen wie Martin Scorsese, Oliver Stone oder Steven Spielberg unter dem Titel „How they began“ (1991 und 1995).

In der Indie-Reihe wurde 1994 THE WAR ROOM von Chris Hegedus und D.A. Pennebaker gezeigt; 2002 wurde dem berühmten Dokumentarfilm-Paar eine Hommage gewidmet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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André Eisermann, Hauptdarsteller in Peter Sehrs SCHLAFES BRUDER.

NEUE DEUTSCHE FILME

 

Während die „American Independents“ ihre feste Spielstätte im Filmmuseum gefunden hatten, liefen die Filme der Reihe „Neues deutschsprachiges Kino“ im Rio-Filmpalast. Das sollte sich 1994 ändern: Beide Reihen wanderten in das neue Festivalzentrum: ins mehrsälige MaxX-Multiplex am Isartor. 

„Einen Vorteil hat das MaxX ganz gewiss: Es erlaubt mit seinen unterschiedlichen Kinogrößen eine differenzierte Programmierung. Das geliebte Rio war für manch kleinen Film einfach zu groß. Und kleine Filme gibt es im deutschsprachigen Programm natürlich jede Menge. Häufig sind sie die interessantesten: Nachwuchsfilme, Talentproben, Tabubrüche, Grelles, Filme zu brennenden gesellschaftlichen Themen, neue Erzählformen, Wagnisse. Man müsse mehr kleine, schmutzige Filme machen, hat Alexander Kluge einmal gesagt. Das ist Jahre her. Aber ich finde, es gilt noch.“
(Ulrich Maass, Kurator der deutschen Kinoreihe, im Katalog 1994)

Manche Filme der Reihe versprachen allein schon namentlich das kleine, schmutzige Kinoglück. Dagmar Wagners HFF-Abschlussfilm, uraufgeführt beim Filmfest 1993, war zum Beispiel ein „inszenierter Dokumentarfilm“ mit dem charmanten Titel DAS EI IST EINE GESCHISSENE GOTTESGABE. Mag dieser Film heute ein wenig in Vergessenheit geraten sein, so liefen einige Werke in der Reihe, die heute zu den Klassikern des deutschen Films gerechnet werden können, zum Beispiel SCHLAFES BRUDER von Peter Sehr (ebenfalls 1994), JENSEITS DER STILLE von Caroline Link (1996), BANDITS von Katja von Garnier (1997) und BANG BOOM BANG von Peter Torwarth (1999).

1998 feierte der Regie-Förderpreis der Hypo-Bank sein zehnjähriges Bestehen. Zuvor hatten Filme von Dani Levy (OHNE MICH, 1993), Rainer Kaufmann (STADTGESPRÄCH, 1995) oder Oscar Roehler (SILVESTER COUNTDOWN, 1997) den Förderpreis gewonnen. Im Jubiläumsjahr wurden gleich zwei Filme, Hans-Christian Schmids 23 und Eoin Moores PLUS-MINUS-Null, ausgezeichnet. Danach gewannen Peter Torwarth mit BANG BOOM BANG und Maren-Kea Freese mit ZOE (1999), Vanessa Jopp mit VERGISS AMERIKA (2000) und Benjamin Quabeck mit NICHTS BEREUEN (2001).

Ein Jahr später entwickelte sich der Preis zum „Förderpreis Deutscher Film“, gestiftet von der Hypo-Vereinsbank, der Bavaria Film und dem Bayerischen Rundfunk und vergeben in drei Kategorien: Regie, Drehbuch und Schauspiel. Im ersten Jahr gewann SOPHIIIIE! zweimal (Michael Hofmann für Regie und Katharina Schüttler für Schauspiel), Regisseur und Autor Chris Kraus bekam für SCHERBENTANZ den Drehbuchpreis und Detlef Bothe wurde für FEIERTAG mit einem „Sonderpreis der Jury“ ausgezeichnet.

Hier sind die Preisträger:innen des „Regie-Förderpreises der Hypo-Bank“ und „Förderpreises Deutscher Film“.

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Dani Levy und bernd eichinger

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Rainer Kaufmann

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Benjamin Quabeck und das team von nichts bereuen

 

 

 

Angesichts der Tatsache, dass das Fernsehen für Millionen Menschen, die noch nie in einem Kino waren oder für die es kein Kino mehr gibt, zum wichtigsten Medium der Filmrezeption geworden ist und zunehmend eigene Filme kreiert, lässt sich eine Trennung der Medien nicht mehr aufrechterhalten. Das FILMFEST MÜNCHEN [...] öffnet sich künftig dem Fernsehen in breiter Form.

Eberhard Hauff im Vorwort zum Katalog für das Filmfest 1994

Die Fernsehreihe

 

Mit der Einführung der Reihe „Top Television“ brachte das Filmfest als eines der ersten Kinofestivals Fernsehfilme in deutscher Erstaufführung auf die große Leinwand. Dabei lag der Fokus nicht nur auf der einheimischen Produktion: Im Einführungsjahr 1994 liefen Beiträge aus Deutschland, Kanada, Japan, Kuba, Großbritannien, Italien und Frankreich (u.a. UN PULL PAR DESSUS L’AUTRE von Caroline Huppert, der Schwester von Isabelle Huppert). 1996 wurde erstmals der von der Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehproduzenten gestiftete VFF TV Movie Award (später Bernd Burgemeister Fernsehpreis) jeweils an den besten deutschen und internationalen TV-Film verliehen. 34 nationale wie internationale Beiträge standen im Wettbewerb, ein Jahr später waren es 42 Beiträge aus elf Ländern.

In der Folge wurde die Filmanzahl reduziert, von 28 Filmen aus acht Ländern (Filmfest 1998) zu 19 Filmen aus sechs Ländern (Filmfest 1999) bis die TV-Reihe 2000 in eine Reihe mit 13 Fernsehfilmen „Made in Germany“ und 12 „internationalen TV-Movies“ aufgesplittet wurde. Ab 2001 konzentrierte das Festival sich ganz auf die einheimische Produktion, kuratiert wurde die Reihe von Gabriele Gillner.

Von 17 deutschen Fernseh-Beiträgen beim Filmfest 2001 wuchs die Auswahl im Folgejahr auf sage und schreibe 41 Beiträge, darunter einzelne Krimi-Folgen mit den Kommissaren Bloch (Dieter Pfaff), Brunetti (Joachim Król) und Kriminalrätin Dr. Eva Maria Prohacek (Senta Berger) in der Reihe „Unter Verdacht“. Oliver Hirschbiegels „Mein letzter Film“ mit Hannelore Elsner bekam nach seiner Uraufführung beim Filmfest noch einen offiziellen Kinostart im November des gleichen Jahres.

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Hannelore Elsner im Interview-dschungel.

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Majid Majidi, Ismail merchant und Reinhard Hauff

DIE WERKSCHAUEN DES KINDERFILMFEST

 

Gleichzeitig zum Filmfest-Special zur „fünften Generation“ blickte auch das Kinderfilmfest 1993 nach China und zeigte fünf Filme, die zwischen 1989 und 1992 in der Volksrepublik produziert worden wurden. 1994 folgte dann eine kleine Werkschau mit Kinderfilmen aus Turkmenistan.

Immer wieder wurden tschechische Filmemacher mit Werkschauen geehrt: 1995 Karel Kachyna (ES LEBE DIE REPUBLIK), 1996 Johannes Hempel und 1999 Karel Zeman, die beide als Pioniere des tschechischen Puppen-Animationsfilms gelten. 2001 brachte Václav Vorlícek unter anderem seinen neuen Märchenfilm THOMAS UND DER FALKENKÖNIG mit nach München. Zuvor, beim Filmfest 2000, lag ein Schwerpunkt des Kinderfilmfests auf den Werken des iranischen Regisseurs Majid Majidi (HIMMELSKINDER), 2001 auf den Verfilmungen der Kinderbücher des schwedischen Autoren Ulf Stark.

Unter dem Titel „Vom Abschiednehmen und Traurigsein“ wurden 1998 Filme zum Thema „Trauer und Tod im Kinderfilm“ gezeigt, darunter PONETTE von Jacques Doillon und GEVATTER TOD von Wolfgang Hübner. „Die Auswahl zu diesem Thema zeigt“, so Hans Strobel im Katalogbeitrag, „dass es immer auch Filme über das Leben, über die Kraft und die Kreativität von Kindern sind. Das Sonderprogramm kann auch als Aufforderung an die Erwachsenen verstanden werden, den Kindern mehr zuzutrauen.“

Bei allem Ernst und dramatischen Tiefgang bot das Kinderfilmfest natürlich auch immer wieder fröhliche Kinoerlebnisse. Den anarchischen Nerv des jungen und junggebliebenen Publikums kitzelte zum Beispiel der Pumuckl, dem Regisseur Peter Weissflog anlässlich des 40. Kobold-Geburtstags einen ganzen Leinwandausflug bescherte. Zur Premiere von PUMUCKL UND SEIN ZIRKUSABENTEUER beim Kinderfilmfest 2002 im Carl-Orff-Saal kam auch Hans Clarin, die unvergleichliche Stimme des Pumuckls.

2002 Pumuckl