1983-92

DIE ERSTE FESTIVALAUSGABE

 

Eine Woche lang, bis zum Sonntag, den 26. Juni 1983, dauerte das erste FILMFEST MÜNCHEN an. Über hundert nationale wie internationale Filme standen auf dem Programm. Die erste Hommage galt der deutschen Schauspielerin Camilla Horn, die unter anderem in Friedrich Murnaus FAUST (1925) das Gretchen gespielt hatte. Die Ehrung Horns durch die Landeshauptstadt fand einen Tag nach der Eröffnung im Filmmuseum am Jakobsplatz statt, die Laudatio hielt Produzent und Regisseur Franz Seitz. Die Werkschau galt der damals 33-jährigen belgischen Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin Chantal Akerman, deren Film JEANNE DIELMAN, 23, QUAI DU COMMERCE, 1080 BRUXELLES (1975) vor kurzem, 2022, von der vom British Film Institute herausgegebenen Monatszeitschrift „Sight & Sound“ zum besten Film aller Zeiten gekürt wurde.

Das Künstlerhaus am Lenbachplatz war das erste Festivalzentrum des Münchner Filmfest. Dort wurden unter anderem Tickets verkauft und fanden Podiumsdiskussionen statt, zu Themen wie „Von Marlene Dietrich bis JR – Ausverkauf eines Berufs?“ (u.a. mit Gaby Dohm, Uwe Ochsenknecht, Maria Schell, Helmut Dietl und Vadim Glowna) oder „How national must a film be in order to be internationally successful” (u.a. mit Margarete von Trotta, Werner Herzog, Reinhard Hauff und Alexander Kluge).

 

FFM1984 Filmmuseum

Filmmuseum

FFM1984 Künstlerhaus

Künstlerhaus

FFM1984 ARRI

ARRI-Kino

Bei den Festivalkinos bemühten sich Filmfest-Leiter Eberhard Hauff und sein Team um eine breite Einbindung der Kinos der Stadt: „Wir haben mehrere Münchner Filmtheater in unser Projekt miteinbezogen, den Gloria-Palast, das Neue ARRI-Kino in Schwabing und das Filmmuseum im Zentrum“, erzählte Hauff vor dem Start dem „München Mosaik“. „Diese Festivalkinos werden ein vorwiegend europäisches Programm, bestehend aus deutschen Erstaufführungen, anbieten. Dazu wird es besondere Reihen geben, zum Beispiel eine Übersicht über das ,Off-Hollywood-Kino‘, mit Klassikern und Gegenwartsfilmen, vorgestellt von dem amerikanischen Regisseur Robert Young. Die Münchner Regisseurinnen präsentieren ,Filme, die wir lieben‘, eine interessante Schau europäischer Frauenfilme.“

Zu letzterer Reihe fand ebenfalls eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Filme von Frauen in der Kritik“ im Künstlerhaus statt, unter anderem mit den Regisseurinnen Margarethe von Trotta, Christel Buschmann und Ula Stöckl sowie Ponkie von der Abendzeitung als Diskutant:innen.

ERSTE ERFOLGE UND EIN NEUER BEINAME: „EUROPÄISCHES FILMFESTIVAL“

Eberhard Hauff

Bereits nach zwei Jahren steht fest: Die Münchner haben ihr Filmfest angenommen. Über 45 000 Besucher gab es im letzten Jahr. Doppelt so viele wie 1983. Vielleicht werden es 1985 noch mehr, die das Kino wiederentdecken. Die Nachfrage nach Spielfilmen ist enorm groß. Aber es gibt zu wenig Filme und immer mehr Filmtheater sind bedroht. Festivals sind kein Allheilmittel, aber sie schaffen ein Ereignis und machen Lust auf Kino.

Eberhard Hauff in einem Vorwort zum Programmheft 1985

Nach dem Erfolg der ersten Festivalausgabe konnte sich das Filmfest als alljährlich stattfindendes Event in der Stadt etablieren. Dabei ging der Blick bereits bei der zweiten Ausgabe noch einmal verstärkt über den Münchner Tellerrand hinaus: „In diesem Jahr zeigen wir ein breites Panorama des europäischen Films“, verkündete Eberhard Hauff im Katalog von 1984. „Initiiert vom Europäischen Parlament und der Kommission der Europäischen Gemeinschaft veranstalten wir in Zusammenarbeit mit dem Verband Europäischer Filmregisseure das erste EUROPÄISCHE FILMFESTIVAL. Es ist der Beginn einer Arbeit, von der wir uns alle viel versprechen. Über die zehn Staaten hinaus, die Mitglied der Europäischen Gemeinschaft sind, haben wir alle Länder West- und Osteuropas eingeladen.“

Wieso das Filmfest gerade für ein „Europäisches Filmfestival“ in Frage kam, begründete Regisseur Peter Fleischmann, Präsident des Verbandes Europäischer Filmemacher, folgendermaßen: „München ist nicht Sitz eines Wettbewerb-Festivals; das Künstlerhaus bietet ein attraktives Ambiente für den Dialog zwischen Publikum und Filmemachern; München ist eine bedeutende europäische Filmstadt.“

Nicht nur die Vielzahl an europäischen Filmen im Programm zeugten davon, dass das Filmfest seinem neuen Beinamen gerecht werden wollte, sondern mit Lina Wertmüller wurde 1984 auch eine renommierte italienische Regisseurin mit einer Werkschau geehrt.

FFM1984 G Linawertmüller Zugeschnitten

Lina Wertmüller und Eberhard Hauff

Natürlich wurde auch im Rahmen des Europäischen Filmfestivals viel über die Gegenwart und Zukunft des internationalen Kinos diskutiert: „Gibt es noch europäische Werte in europäischen Filmen?“ fragte ebenfalls 1984 ein Seminar unter Leitung des bis heute unermüdlich in der Interfilm Akademie wirkenden „Filmpfarrers“ Eckart Bruchner. Mit dem One-Future-Preis zeichnet die Interfilm Akademie seit 1986 Filme aus dem Filmfest-Programm aus, „die sich ethisch und filmästhetisch mit der unteilbaren Zukunft dieser Welt auseinandersetzen.“ 1988 wurde der One-Future-Preis zum Beispiel an den polnischen Regisseur Krzysztof Kieślowski für EIN KURZER FILM ÜBER DAS TÖTEN verliehen.

Der kuratorische Blick für das internationale Filmfest-Programm ging immer wieder weit über Osteuropa hinaus: Als eines der Highlights von 1987 pries Eberhard Hauff im Vorwort des Katalogs eine Reihe an, in der „Unbekannte sowjetische Filme“ gezeigt wurden. 1989 veranstaltete das Filmfest eine Spezialreihe mit „Sowjetischen Dokumentarfilme“, 1990 das Special „Junges Sowjetisches Kino“. Nachdem die Sowjetunion im Winter 1991 ihr Ende fand, wurden 1992 „Filme aus der GUS“ gezeigt.

 

DIE ehrengäste DER ERSTEN FESTIVALJAHRE

 

Immer wieder ehrte das Festival Filmemacher:innen aus aller Welt für ihr bisheriges Schaffen. Nach Lina Wertmüller im ersten Festivaljahr gab es 1985 gleich zwei Werkschauen, eine mit Filmen des indischen Regisseurs Mrinal Sen, eine andere mit Filmen von US-Regisseur Paul Schrader. Es folgten: der spanische Regisseur Manuel Gutiérrez Aragón (1987), der georgische Regisseur Sergej Paradschanow (1988), der Mexikaner Arturo Ripstein (1989), der Koreaner Im Kwon-Taek (1990), die beiden russischen Filmemacher Andrej Kontschalowski und Nikita Michalkow (1991) sowie einer der Begründer und zentralen Regisseure der japanischen „Neuen Welle“, Nagisa Oshima (1992).

FFM1992 G Nagisaoshima

Vielen Dank nach München. Ich habe in meinem Leben noch nie so glückliche Tage auf irgendeinem anderen Filmfestival verbracht. Das Festivalteam hat mich herzlich empfangen, und ich hoffe, dass wir Freunde fürs Leben bleiben.

Nagisa Oshima

Mit Hommagen/Tributes ehrte das Filmfest von Anfang an internationale Filmgrößen, darunter Robert Altman (1985), Sergio Leone, Norman Mailer und Axel Corti (1986), Volker Koepp und Fanny Ardant. (1987) Dabei wurden ihre neuen Werke oder einzelne, exemplarische Filme aus ihrem Œuvre gezeigt. Fanny Ardant spielte die Hauptrolle in Ettore Scolas neuem Film LA FAMIGLIA, mit dem das Filmfest 1987 eröffnet wurde. Weitere Ehrengäste waren unter anderem: die italienische Schauspielerinnen Stefania Sandrelli (1988) und Ornella Muti (1990), der österreichische Regisseur Xaver Schwarzenberger (ebenfalls 1990), der noch am Anfang seiner Karriere stehende Lars von Trier (1991) und Musical-Legende Stanley Donen, der zusammen mit Audrey Hepburn 1992 nach München kam.

Die AMERICAN INDIES

 

Der bereits beim ersten Filmfest geworfene Rückblick auf unabhängig produzierte Filme aus den USA unter dem Titel „Off-Hollywood“ fand im zweiten Festivaljahr eine Fortsetzung. Zudem gab es erneut einen Fokus auf Filme „Made in Texas“; gezeigt wurde unter anderem das Spielfilmdebüt der Coen-Brüder, BLOOD SIMPLE. 1990 fand ein Panel zur „Darstellung von Texas im Amerikanischen Film“ statt, mit den gebürtigen Texanern Richard Linklater und Eagle Pennell als Diskussionsteilnehmern. Pennel war zudem mit seinem neuen Film HEART FULL OF SOUL in München, Linklater mit seiner Generation-X-Komödie SLACKER, die zum Kultfilm werden sollte.

Immer wieder kamen auch Vertreter:innen des Black Cinema mit ihren neuen Filmen nach München, 1987 beispielsweise Robert Townsend mit seiner Komödie „Hollywood Shuffle“. 1990 wurde dem „Young Black Cinema“ eine eigene Reihe gewidmet. Der afroamerikanische Filmwissenschaftler Albert Johnson, Professor an der University of California in Berkeley, war 1987 erstmals und dann immer wieder zu Gast beim Filmfest, um unter anderem Seminare zum Bild der Schwarzen oder der Native Americans im US-amerikanischen Film zu geben. 1992 fand unter dem Titel „Surviving Columbus“ eine ganze Reihe mit Filmen von Native Americans statt, mit einigen Gästen aus Übersee.

„1992 feierte die ganze Welt die Entdeckung Amerikas durch Kolumbus. Durch Zufall lernte ich ein paar Leute in den USA kennen, die mir erzählten, dass es eine Reihe neuer Filme von Native Americans gäbe, die bislang fast nirgendwo sonst gezeigt worden waren. Ich ließ mir die Filme zuschicken und war begeistert. Zwanzig von ihnen zeigten wir dann beim Filmfest unter dem Titel „Surviving Columbus – Überleben trotz Kolumbus“. Fünf oder sechs der Filmemacher:innen kamen nach München und erregten dabei viel Aufsehen. Es kam Publikum aus den letzten Winkeln Bayerns angereist! Das waren keine Cineasten, die wollten vor allem die ,Indianer' sehen. Der Bürgermeister lud die Regisseur:innen zu einem Empfang ein, die Fernsehanstalten umwarben sie, weil sie ein sehr attraktives Programm abgaben. Später gingen die Native Americans mit dem Filmfest-Katalog zu Robert Redford und sagten ihm, schau mal, Robert, was München für uns gemacht hat! Er organisierte dann einen Empfang für sie und lud auch mich ein. Das ganze Programm wurde dann auf seinem Sundance Film Festival wiederholt.“ (Ulla Rapp)

1989 hieß es zum ersten Mal „Meet the Indies“ im Filmmuseum. Die mittwochs stattfindende Feier sollte bald zur legendären „Indie“-Party werden. Im Hof des Filmmuseums tummelten sich zahlreiche einheimische Festivalbesucher:innen und angereiste Gäste, darunter die Stars der unabhängigen US-Filmszene, zum Beispiel Hal Hartley, dem 1992 eine Werkschau im Filmmuseum gewidmet wurde.

Hier finden Sie Erinnerungen von Ulla Rapp an die Indie-Party.

FFM1987 Roberttownsend Ullarapp

Ulla rapp und Robert Townsend

1992 Indianer Fileberto Kuru'es

Fileberto Kuru'es, Fidel Moreno und phil lucas

Hartley 1992

Hal Hartley

 

 

 

 

Mein besonderes Anliegen ist der deutsche Film und dessen Förderung. Hier fühle ich mich meinen Kollegen verbunden, denen mit großen Namen, von Werner Herzog bis Wim Wenders, und den vielen, die im Moment noch unbekannt sind.

Eberhard Hauff

DER DEUTSCHE FILM

 

Bei aller Internationalität wurde das einheimische Filmschaffen weiterhin stark im Auge behalten; schließlich hatten gerade Münchner Filmemacher:innen Ende der 1970er die Idee für ein eigenes Filmfestival gehabt. Die von Ulrich Maass kuratierte Reihe „Neue Deutschsprachige Filme“ wurde ein starker Pfeiler des Festivals, mit wachsender Filmanzahl und festen Spielorten.

“Begonnen hatte es 1983, beim ersten FILMFEST MÜNCHEN, mit neun Filmen, die in einer durchgehenden Programmschiene (um 17.30 Uhr im Arri) gezeigt wurden. Mittlerweile hat das deutschsprachige Programm ein eigenes Kino, den Rio-Palast.“ (Ulrich Maass im Katalog von 1992)

In der Reihe wurden vornehmlich neue Werke des Regienachwuchses gezeigt, zum Beispiel von Roland Suso Richter (KOLP, 1984), Ralf Hüttner (DAS MÄDCHEN MIT DEN FEUERZEUGEN, 1987), Anne Spoerri (ERZÄHLUNG FÜR SANDRA, 1988), Dominik Graf (z.B. TIGER, LÖWE, PANTHER, 1999) oder Helma Sanders-Brahms (APFELBÄUME, 1992). Einer der Stammgäste der Reihe war Philip Gröning (SOMMER, 1986; STACHOVIAK, 1988; DIE TERRORISTEN, 1992). Ihm wurde viele Jahre später eine eigene Hommage beim Filmfest 2018 gewidmet. Dabei konnte man seine Frühwerke nochmals bewundern als auch seinen neuen Film MEIN BRUDER HEISST ROBERT UND IST EIN IDIOT.

1989 wurde auf dem Filmfest erstmals der „Regie-Förderpreis der Hypo-Bank für den Deutschen Film“ verliehen. Die erste Jury bestand aus Produzentin Molly von Fürstenberg, Regisseur Joseph Vilsmaier und Hans-Dieter Seidel von der FAZ, Uwe Janson gewann mit seinem Film VERFOLGTE WEGE. Viele weitere, heute weithin bekannte Regisseur:innen wurden mit ihren ersten Werken beim Filmfest mit dem Förderpreis ausgezeichnet. 1991 gab es mit Michael Klier (OSTKREUZ) und Sönke Wortmann (ALLEIN UNTER FRAUEN) gleich zwei Preisträger, 1992 gewann Wolfgang Becker mit KINDERSPIELE.

 

1992 G Philipgröning

Philip Gröning

FFM1991 G Sönkewortmann

Sönke Wortmann

Becker 1992

Wolfgang Becker

Auch jenseits der Reihe gelangen Eberhard Hauff und seinem Team großartige Coups, zum Beispiel die Welturaufführung des gesamten ersten Teils der HEIMAT-Trilogie. Über zwei Tage hinweg wurde das über 15 eineinhalb Stunden dauernde Hunsrück-Epos von Edgar Reitz beim Festival 1984 gezeigt. Hauff moderierte selbst Gespräche zur Gegenwart und Zukunft des deutschen Films, zum Beispiel 1985 eine Mitternachtsdiskussion im Künstlerhaus mit dem Titel „Der alte und der junge Neue Deutsche Film.“

Regelmäßig wurden auch zentrale Persönlichkeiten des deutschen Films geehrt: Nach der Hommage für Camilla Horn bei der ersten Festivalausgabe folgten 1984 der Münchner Kinobetreiber Fritz Falter, Begründer des berühmten Schwabinger „studios für filmkunst“, 1985 Komödien-Regisseur Kurt Hoffmann und 1986 Produzent Heinz Angermeyer, der viele Filme Hoffmanns produziert hatte. Mit Charlotte Flemming kam 1989 eine national wie international arbeitende Kostümbildnerin zu Ehren, 1991 galt die Hommage dem Theatiner-Kino unter der Leitung von Marlies Kirchner. Und mit Karl Baumgartner wurde 1992 ein Special-Effects-Experte geehrt. Sein Spitzname: Charly Bum-Bum.

Auch musikalisch wurden alljährlich Blicke in die Geschichte des deutschen Films geworfen. 1987 fand unter dem Titel „Wir machen Musik“ in der Philharmonie im Gasteig ein Gala-Konzert statt, bei dem das Münchner Rundfunkorchester „Deutsche Filmmusik aus 60 Jahren“ spielten. Moderiert wurde die Veranstaltung von Paul Kuhn. Zudem wurden Stummfilmklassiker mit Live-Begleitung gezeigt: 1991 improvisierte Saxofonist Klaus Kreuzeder zu einer Vorführung von Buster Keatons DER GENERAL (1926) im Carl-Orff-Saal, ein Jahr später am gleichen Ort zu Keatons DER NAVIGATOR (1924).

1987 G Paulkuhn Zugeschnitten

Paul Kuhn moderiert "Wir machen Musik".

 

 

FFM1985 G Astridlindgren

Eberhard Hauff mit Ehrengast Astrid Lindgren

DAS KINDERFILMFEST

 

Bereits bei der ersten Festivalausgabe wurde in Zusammenarbeit mit dem Förderverein Deutscher Kinderfilm ein „Kinderfilmfest“ veranstaltet. Die Leitung übernahmen Hans und Christel Strobel, die diese eigene Sektion mit Filmen für Kinder und Jugendliche 22 Jahre lang, bis 2005 leiten sollten.

Bei der ersten Ausgabe wurden 18 Filme für ein jüngeres Publikum gezeigt, darunter waren acht Münchner Erstaufführungen. Hauptspielorte waren das Kinderkino Olympiadorf und das ARRI-Kino.

Zwölf ältere Filme liefen in der Retrospektive „Neuer deutscher Kinderfilm 1970 – 1981“. Die Tickets kosteten 2 Mark 50 für Kinder, 3 Mark 50 für Erwachsene. „(Wir) hoffen auf den Besuch von möglichst vielen Erwachsenen, denn die Situation des deutschen Kinderfilms ist besorgniserregend“, stellte Eberhard Hauff im Vorfeld fest. Tatsächlich wurde das erste Kinderfilmfest ein Erfolg: „Es gibt ihn wieder, den deutschen Kinderfilm“, resümierte die Abendzeitung. „Und er ist von hoher Qualität.“

Auch im Rahmen des Kinderfilmfests wurden internationale Künstler:innen für Hommagen und Werkschauen eingeladen. 1985 begeisterte die schwedische Schriftstellerin Astrid Lindgren mit ihrem München-Besuch Kinder wie Erwachsene; in einer ausführlichen Retrospektive wurden Verfilmungen von Lindgren-Bücher gezeigt, darunter PIPPI LANGSTRUMPF, DIE KINDER VON BULLERBÜ und RONJA RÄUBERTOCHTER. Ein Jahr später kam der tschechische (Drehbuch-)Autor Ota Hofman, bekannt als Mit-Erfinder der Filmfigur Pan Tau, nach München. Breiter aufgestellte Werkschauen widmeten sich dem „iranischen Kinderfilm“ (1991) und der „Kinderfilmkultur aus Afrika“ (1992).

[Festivals] bieten die Chance, Kino und Film in breiter Form ständig neu zu popularisieren. Es geht um das Überleben des Kinofilms angesichts der neuen Medien.

Eberhard Hauff, 1984

DIE NEUEN MEDIEN: ZERSTÖRUNG DER PHANTASIE!

 

Während heute vor allem von der Konkurrenz der Streaming-Dienste gesprochen wird, wurde das Kino in den 1980ern vom, laut Hauff, „schnell wachsenden Videomarkt“ bedroht. Ein Podium zum Thema „Die Zerstörung der Phantasie durch die ,neuen Medien‘“ fand 1984 im Künstlerhaus statt, bei dem Filmemacher, Pädagogen und Wissenschaftler diskutierten.

Dem technischen Fortschritt verschloss sich aber natürlich auch das Filmfest nicht: 1987 fand erstmals ein „Computer-Seminar für Drehbuchautoren“ in Kooperation mit der „Computer Gesellschaft Commodore“ in der Black Box im Gasteig statt. In der Reihe „Videopremieren“ wurden ab 1997 internationale Filme gezeigt, die keinen deutschen Kinostart hatten, sondern direkt auf Video vermarktet werden sollten. Den „neuen Medien“ konnte das Filmfest so ein bisschen die Stirn bieten: Denn wo konnten diese Direct-to-Video-Werke ihre ganze Wirkung entfalten, wenn nicht auf der großen Leinwand?

FFM1992 Modernemedien