Florian Borchmeyer

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Sehr wichtig sind auch die Begegnungen mit den Filmemacher:innen, die machen die Festivalatmosphäre natürlich stark aus. Ich habe dabei selbst immer wieder schöne Momente erlebt.

Meine Leidenschaft fürs Kino entwickelte sich ziemlich spät – denn als Kind der 70er durfte man erst ab sechs ins Kino. Es ging daher erst mit ungefähr sieben bei mir los und zwar im Gloria Palast am Stachus. Gespielt wurde MEISTER EDER UND SEIN PUMUCKL, eine Woche nach der Premiere. Aber das eigentlich cineastische Erweckungserlebnis war, als ich mit 15 zum ersten Mal STRANGER THAN PARADISE von Jim Jarmusch sah und merkte: ein anderes Kino ist möglich. Das war in der Lupe 2 im Fuchsbau in Schwabing. Ein wundervolles Programmkino, das es leider seit ewigen Jahren nicht mehr gibt. (Der Kartenabreißer des Abends war übrigens auch erst in meinem Alter – und ist heute ein weltweit erfolgreicher Filmproduzent).

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Nach dem Abitur habe ich dann erstmal Literaturwissenschaften in Berlin, Havanna und Paris studiert, als Literaturkritiker für die F.A.Z. geschrieben und für diverse Fernsehmagazine gedreht. Aber der Film hat mich nicht losgelassen. Zum Filmfest bin ich dabei durch Zufall gekommen: 1999 besuchte ich in München zwei befreundete kubanische Schauspielerinnen, die mit dem Film DAS LEBEN EIN PFEIFEN von Fernando Pérez zu Gast waren – ein Film, bei dessen Dreharbeiten in Havanna ich als junger Hospitant dabei gewesen bin. Als ein Interview mit den beiden Darstellerinnen gedreht werden sollte, wurde auf einmal dringend ein Dolmetscher gesucht. Da sah die damalige Programmverantwortliche Ulla Rapp mich mit den zwei im angeregten Gespräch auf Spanisch. Am selben Abend stand ich plötzlich vor der Leinwand des Kinos, um das Publikumsgespräch der Filmpremiere als Übersetzer zu begleiten. Genau dasselbe tue ich im Grunde heute immer noch. Nur dass ich in Ullas Nachfolge auch die Filme auswähle und die Fragen selbst stelle.

Mittlerweile habe ich auch selbst Regie geführt, zum Beispiel bei dem Dokumentarfilm HAVANNA – DIE NEUE KUNST, RUINEN ZU BAUEN von 2006. Im gleichen Jahr wurde ich in Romanischer Philologie promoviert und seit der Spielzeit 2011/2012 bin ich Dramaturg an der Berliner Schaubühne. Das FILMFEST MÜNCHEN hat mich dabei kontinuierlich seit mittlerweile 22 Jahren begleitet.

Was ich dem Publikum bieten möchte, ist die Möglichkeit, Filme zu entdecken, die in Deutschland im regulären Verleih nicht zu sehen, aber auch in den endlosen Weiten des Streaming-Anbieter-Universums nicht ohne weiteres zu finden sind. Und doch gehören sie zum Besten, was das weltweite Filmschaffen hervorbringt! Natürlich finden auch die großen und renommierten Werke des Weltkinos, in meinem Fall aus den spanisch- und portugiesischsprachigen Ländern, bei uns zum ersten Mal ein deutsches Publikum.

Sehr wichtig sind auch die Begegnungen mit den Filmemacher:innen, die machen die Festivalatmosphäre natürlich stark aus. Ich habe dabei selbst immer wieder schöne Momente erlebt. Der Schönste war vielleicht, als Alejandro Jodorowsky auf dem Podium der Black Box plötzlich ein Paket Tarot-Karten aus der Jackentasche zog und mir vor versammeltem Publikum die Karten legte… Und soweit ich mich erinnere, sieht die Zukunft ganz rosig aus!