UNBEKANNT DURCH DIE NACHT

Margret Köhler Neu

Margret Köhler

Filmjournalistin, u.a. Abendzeitung München, Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND)

Filmfeste sind ja gut fürs Networking. Man trifft sich, plauscht miteinander, Talents genießen die Kontaktmöglichkeiten.  Regisseure und Regisseurinnen laufen vielleicht einem Förderer, Verleiher oder Produzenten in die Arme, Schauspieler und Schauspielerinnen reden ein paar Takte mit einer für die Karriere „wichtigen“ Person. Kann ja für die Zukunft von Nutzen sein.

Auch wir Pressemenschen genießen Gespräche im Gewühl, mal wieder bekannte Gesichter zu treffen, über Filme zu diskutieren, über schlechte Honorare zu klagen oder einfach mal ganz entspannt abzulästern.

Ich glaube, es war 2019, da begrüßt mich beim Eröffnungsempfang im Bayerischen Hof ein sympathischer Typ euphorisch mit „Margret, lange nicht gesehen!“. Ich hatte ihn eigentlich nie gesehen, konnte mich jedenfalls nicht an ihn erinnern, aber auf mein Gedächtnis baue ich lieber nicht. Also ein bisschen Small Talk über das Programm, der sich dann doch nicht als small entpuppte, sondern lange hinzog. Egal. Wenige Tage bzw. Abende später, beim 10-Jahres-Jubiläum von Wild Bunch Germany im Blitz Club des Deutschen Museums kreuzten wir uns wieder an der Bar. Wir schlürften einen oder mehrere Gin-Tonics, jammerten über den Niedergang der Indies und lobten den mit dem CineMerit Award ausgezeichneten Antonio Banderas. Da der aber leider nicht auftauchte, enterten wir die ziemlich dunkle Tanzfläche und tobten dort bis zu später Stunde. Unterhalten mussten wir uns bei der lauten Musik nicht, also fiel nicht auf, dass ich immer noch nicht wusste, wer da um mich herum wuselte. Unbekannt statt atemlos durch die Nacht!  

Bis zum Ende des Filmfests begegnete wir uns nicht mehr. Ich weiß bis heute nicht, mit wem ich diese zwei netten Abende verbracht habe. Und wer stand im letzten Jahr in der langen Schlange bei der Akkreditierung im Amerikahaus? „Mein“ Unbekannter, der (wohl business as usual) rief „Margret, lange nicht gesehen!“.  

PS: Mein Arzt, der auch Gesundheitschecks für Filmmitwirkende durchführt, beruhigte mich später: „In Ihrer Branche ist das normal. Da reden viele miteinander, die nicht wissen, wer der andere ist“.