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Die Realität abbilden

Oliver Armknecht
Oliver Armknecht

Zwischen Rückblick und Aufbruchsstimmung: ein Blick auf die Dokumentarfilme des diesjährigen FILMFEST MÜNCHEN

Die Realität abbilden

PETRA KELLY – ACT NOW!
FOTO: Bildersturm Filmproduktion

Dokumentarfilme geben uns die Möglichkeit, neue Welten kennenzulernen, mehr über unseren Alltag zu erfahren, aber auch bedeutenden Persönlichkeiten näherzukommen. Ein Film ist PETRA KELLY – ACT NOW!, der Eröffnungsfilm der Reihe NEUES DEUTSCHES KINO: Mit zahlreichen Originalaufnahmen und Interviews wird hier an die Politikerin und Aktivistin erinnert, die das Deutschland der 80er entscheidend mitgeprägt haben. Ein deutscher Exportschlager steht hingegen in BORN TO BE WILD – THE STORY OF STEPPENWOLF im Mittelpunkt: Sänger John Kay und Bassist Nick St. Nicholas stammen aus Deutschland und hatten ihren Anteil an dem titelgebenden legendären Song, der wie eine Hymne für das Gefühl von Freiheit steht. Um Freiheit geht es auch in dem dritten großen Porträt, wenn wir in KRISHNAMURTI, LA RÉVOLUTION DU SILENCE mehr über den einflussreichen spirituellen Philosophen Jiddu Krishnamurti erfahren, der Anfang des 20. Jahrhunderts durch Meditation die Erlangung vollständiger geistiger Freiheit suchte. LANDRIÁN wiederum würdigt Nicolás Guillén Landrián, den ersten Schwarzen Filmemacher Kubas. Von diesem sind auch einige Kurzfilme aus den 60ern im Programm.

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LANDRIÁN/LANDRIÁN SHORTS

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LES MIENNES

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THE IN BETWEEN

Natürlich sind Dokumentarfilme nicht allein den Berühmten und Einflussreichen vorbehalten. Es ist gerade spannend, solche Menschen durch ihren Alltag zu begleiten, die man sonst nie kennengelernt hätte. Wer sind sie? Was ist ihre Geschichte? LES MIENNES nimmt uns beispielsweise mit ins Rifgebirge in Marokko, wo sich eine Familie mit ihrer Vergangenheit und alten Geheimnissen auseinandersetzen muss. In FRAGMENTS OF ICE verwebt die ukrainische Regisseurin Maria Stoianova Aufnahmen ihres Vaters, der seine Tourneen als Eiskunstläufer für eine damals noch sowjetisch-ukrainische Truppe mit der Kamera festhielt, zu einem Werk, das sich mit Erinnerungen auseinandersetzt. Auch in THE IN BETWEEN steht eine Reise in die persönliche Vergangenheit an, bei der eine junge Frau nach dem Tod ihres Bruders in die Heimat zurückkehrt. Sie wird daran erinnert, was es heißt, als Jugendliche an der Grenze von Texas und Mexiko aufzuwachsen.

Den Blick nach vorne gerichtet haben hingegen die vier Freunde in dem semi-fiktionalen Jugendporträt O CHALE. Dort wird ein Basketballplatz in Ghana zum Ort der Begegnung und zum Anlass, über die Zukunft nachzudenken – zwischen Sport, Freundschaft und Selbstsuche. Für die jungen Protagonistinnen in SISTERQUEENS ist hingegen Musik das Ausdrucksmittel: Drei Freundinnen zwischen 9 und 11 nehmen an einem Rap-Projekt teil und trotzen damit traditionellen Geschlechterklischees.

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DIE SCHULE DER FRAUEN

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REALM OF SATAN

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O CHALE

Zwei weitere Dokumentarfilme befassen sich mit der Rolle von Frauen in patriarchalen Gesellschaften. DIE SCHULE DER FRAUEN zeigt dies am Beispiel einer Schauspielschule: Fünf Kommilitoninnen begegnen sich Jahrzehnte später noch einmal und tauschen sich über ihre nicht immer positiven Erfahrungen aus. BLACK BOX DIARIES schildert, wie die Journalistin Shiori Ito von einem älteren Kollegen vergewaltigt wurde und das Verbrechen öffentlich machte – was in der konservativen, auf Außenwirkung bedachten Gesellschaft Japans ein Tabubruch war.

Überhaupt spielen gesellschaftliche Fragen auf dem FILMFEST MÜNCHEN wieder eine große Rolle. Ob es nun der provokative Beitrag REALM OF SATAN ist, der hinter die Kulissen der umstrittenen Church of Satan blickt, A POEM FOR LITTLE PEOPLE über ein Freiwilligenteam in der Ostukraine oder auch DOPPELGÄNGERS³ über eine Generalprobe für die Besiedelung des Weltalls: Sie alle stellen die Frage, wie wir als Menschen zusammenleben können oder wollen. Die Männer und Frauen in BALOMANIA schicken in gefährlichen Guerilla-Aktionen kunstvoll dekorierte Heißluftballons zum Himmel – zum Ärger der Behörden, die das unter hohe Strafen stellen. UNDER A BLUE SUN führt uns in die israelische Wüste Negev, wo vor vielen Jahren RAMBO III gedreht wurde – ein Experte für Spezialeffekte erinnert sich. Das größte Kunstwerk verdanken wir wohl doch Mutter Natur, wenn wir in dem meditativ-essayistischen THE NIGHT VISTORS die faszinierende Welt der Falter kennenlernen und die ganze Vielfalt der oft unterschätzten Insekten bewundern dürfen.

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