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STACHOVIAK!
Eine Studie in Einsamkeit und Paranoia, ein deutscher TAXI DRIVER ohne Taxi, ein irrlichternder Blick in die Dynamik von Gewalt und Gegengewalt. Was ist schon normal, was verrückt? Der zurückhaltende Postbeamte Bernhardt Stachoviak will sich anpassen, fühlt sich aber zu einem Attentat getrieben. Elektrizität der Montage, blitzartige Einstellungen, Unschärfen, eingestreute Super-8-Aufnahmen. Ein Undergroundfilm im Untergrund eines Bewusstseins. Keine Möglichkeit, sich festzuhalten. Oder doch: Die Wohnung als letzte Ich-Bastion, die rotfellige Nachbarskatze als einziger Bezugspunkt. Stachoviak dichtet sich nach außen ab. Gellendes Klingeln. Blick durch den Türspion. Vor der Tür: der Nachbar. Lachende Kinder. Sie schießen mit der Spielpistole aufs Guckloch, auf die Kamera, den Zuschauer. Als Experimentalfilm wollte Gröning STACHOVIAK! nicht verstanden wissen: „Er erzählt eine Geschichte und er erzählt sie mit allen Mitteln, die dem Film zur Verfügung stehen.“ Stachoviak (Peter Cieslinski) ekeln die anderen an, wie sie sich berühren. Der Besuch einer Prostituierten (Tessi Tellmann) bringt keine Nähe, keine Erlösung, aber mit ihr entstehen Sequenzen ohne Schnitt. Der Film bekommt Luft – und taumelt zurück in die Atemlosigkeit der Momentaufnahmen. Stachoviak nimmt ein Bekenntnis auf, diktiert alles. Absatz, Komma, Punkt. Ein Dasein in punktgenauen Fragmenten. Der Tornado der Eindrücke tut dem Postbeamten Gewalt an, reißt den Zuschauer mit: „Dieser Film ist ein Anschlag. Denn er erzählt nicht von Stachoviak, er ist Stachoviak, ist das Innere eines Kopfes, der zerbricht. Man muss ihn anschauen wie ein Bild.“ Gröning gewann damit den Silver Hugo des 25. Chicago International Film Festivals und erntete viel Lob beim sechsten FILMFEST MÜNCHEN – damals, im Jahr 1988.
Meet the director
Philip Gröning
Philip Gröning wurde 1959 in Düsseldorf geboren. Er wuchs in seiner Geburtsstadt und in den USA auf. Nach dem Abitur 1977 in Düsseldorf reiste erdurch Südamerika und studierte ab 1979 Medizin und Psychologie. 1981 arbeitete er als Assistent des Filmregisseurs Peter Keglevic und sammelte weitere filmische Erfahrungen als Requisiteur, Regie- und Tonassistent. Ein Jahr darauf nahm er das Studium an der HFF München auf. Er widmete sich dem Drehbuchschreiben und arbeitete als Schauspieler. 1986 gründete Gröning seine eigene Produktionsfirma. Im gleichen Jahr legte er mit SOMMER seinen ersten Langfilm vor. Mit seinem Spielfilm Die TERRORISTEN (1992) über ein geplantes Attentat auf den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl erregte Gröning erstmals Aufsehen. Kohl versuchte, die Fernsehausstrahlung des Films vergeblich zu verhindern. Gröning erhielt für den Film in Locarno den „Bronzenen Leoparden“. Den Hessischen Filmpreis für die Beste Regie erhielt Gröning für L’AMOUR, L’ARGENT, L’AMOUR (2000), Hauptdarstellerin Sabine Timoteo gewann in Locarno einen Leoparden in der Kategorie „Beste Hauptdarstellerin.“ DIE GROSSE STILLE (2005) über den Schweigeorden der Karthäusermönche entwickelte sich zum Überraschungserfolg in den deutschen Kinos. Der Film erhielt zahlreiche Preise: den Bayerischen Filmpreis für den Besten Dokumentarfilm, einen Spezialpreis der Jury beim Sundance Filmfestival, den Preis der deutschen Filmkritik, den Europäischen Filmpreis 2006 als Bester Dokumentarfilm sowie den Deutschen Kamerapreis; außerdem wurde er für den Deutschen Filmpreis nominiert. Grönings darauffolgender Spielfilm, DIE FRAU DES POLIZISTEN (2013) über Gewalt in der Ehe, wurde in Venedig mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet. MEIN BRUDER HEISST ROBERT UND IST EIN IDIOT lief im Februar 2018 im Wettbewerb der Berlinale. Wie bei fast allen seinen Filmen zeichnete Gröning auch hier für Drehbuch (mit Sabine Timoteo), Produktion, Kamera und Teile des Schnitts verantwortlich. Er war Jury-Präsident der Reihe „Orrizonti“ beim Filmfestival in Venedig 2006, sowie Mitglied der Jury beim FILMFEST MÜNCHEN im Jahr 2009, arbeitete als Gastdozent am California Institute for the Arts und als Professor für Film an der Kunsthochschule Kassel. Er doziert regelmäßig als Gast an der Filmakademie Ludwigsburg, ist Mitglied der Europäischen Filmakademie und der Deutschen Filmakademie, sowie der Bayerischen Akademie der schönen Künste.