OPFER. ZEUGEN
Film - Hommage | Philip Gröning Filmfest 2018

OPFER. ZEUGEN

Regie von Philip Gröning

Info

Regie: Philip Gröning
Reihe: Hommage | Philip Gröning
Land: Deutschland
Jahr: 1993
ET: VICTIMS. WITNESSES
Sprache: deutsch
Fassung: Originalfassung
18+ (ohne FSK)

Außerdem in diesem Programm

Logline

OPFER. ZEUGEN

Episode des WDR-Films NEUES DEUTSCHLAND, uraufgeführt auf dem FILMFEST MÜNCHEN 1993. Ein Filmessay, eine Collage. Die fließende Bewegung einer Autofahrt: An der Hi8-Kamera fahren Felder unter einem wolkigen Himmel vorbei, Bäume, Strommasten. Darüber bald, horizontal überblendet, eine Abfolge von Pressemeldungen über rechtsextreme Attacken in Ostdeutschland. Gewalt von Skinheads gegen Asylsuchende, Steinwürfe und Brandangriffe auf Flüchtlingsheime, „schwere Auseinandersetzungen zwischen Neonazis und Antifaschisten“. In die vorbeirasenden Landschaften mischen sich Aufnahmen von Körper mit tiefen Brandwunden. Auf der Soundspur: Franz Schuberts Streichquintett, Opus 163, der zweite, ruhige Satz. Dann eine beispielhafte Erzählung: Zwei junge Punks berichten davon, wie sie von Neonazis attackiert wurden. Die Angreifer drehten das Auto, in dem sie saßen, um, zündeten es an. Der Trabi wird zur Falle: Drinnen drohte das Verbrennen, draußen die Prügel. Die Montage fragmentiert die Aussagen der Jugendlichen, erzeugt Leerstellen, Löcher der Wahrnehmung, der Erinnerung. Spürbares Trauma. Interviewfragen, Satzfetzen werden als Schrifttafeln eingeblendet. Eine Tafel kommt immer wieder vor: „mit Lebewesen probieren.“ Die Gewalt ist ein Versuchsfeld. Die Opfer werden Zeugen dessen, was ihnen angetan wird. Dass die Gewalt keine fataleren Folgen hat, ist ein Wunder. Nicht mal Brandverletzungen hat der eine: „Hat er Glück gehabt.“ Die Anwohner helfen ihnen nicht. Bilder von Häusern, heimelige Nachbarschaften. Ein kleines Kind war Zeuge, steht in der Tür neben seinen Eltern: „Sie haben geschrien und gequiekt“. Die Meldungen rechtsextremer Gewalt laufen weiter: Kopfverletzungen, Stichverletzungen, Mord. Es fahren die deutschen Landschaften vorbei. Schuberts Quintett begleitet auch die Credits. Eine Elegie auf ein hoffnungsarmes Deutschland.

Meet the director

OPFER. ZEUGEN

Philip Gröning

Philip Gröning wurde 1959 in Düsseldorf geboren. Er wuchs in seiner Geburtsstadt und in den USA auf. Nach dem Abitur 1977 in Düsseldorf reiste erdurch Südamerika und studierte ab 1979 Medizin und Psychologie. 1981 arbeitete er als Assistent des Filmregisseurs Peter Keglevic und sammelte weitere filmische Erfahrungen als Requisiteur, Regie- und Tonassistent. Ein Jahr darauf nahm er das Studium an der HFF München auf. Er widmete sich dem Drehbuchschreiben und arbeitete als Schauspieler. 1986 gründete Gröning seine eigene Produktionsfirma. Im gleichen Jahr legte er mit SOMMER seinen ersten Langfilm vor. Mit seinem Spielfilm Die TERRORISTEN (1992) über ein geplantes Attentat auf den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl erregte Gröning erstmals Aufsehen. Kohl versuchte, die Fernsehausstrahlung des Films vergeblich zu verhindern. Gröning erhielt für den Film in Locarno den „Bronzenen Leoparden“. Den Hessischen Filmpreis für die Beste Regie erhielt Gröning für L’AMOUR, L’ARGENT, L’AMOUR (2000), Hauptdarstellerin Sabine Timoteo gewann in Locarno einen Leoparden in der Kategorie „Beste Hauptdarstellerin.“ DIE GROSSE STILLE (2005) über den Schweigeorden der Karthäusermönche entwickelte sich zum Überraschungserfolg in den deutschen Kinos. Der Film erhielt zahlreiche Preise: den Bayerischen Filmpreis für den Besten Dokumentarfilm, einen Spezialpreis der Jury beim Sundance Filmfestival, den Preis der deutschen Filmkritik, den Europäischen Filmpreis 2006 als Bester Dokumentarfilm sowie den Deutschen Kamerapreis; außerdem wurde er für den Deutschen Filmpreis nominiert. Grönings darauffolgender Spielfilm, DIE FRAU DES POLIZISTEN (2013) über Gewalt in der Ehe, wurde in Venedig mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet. MEIN BRUDER HEISST ROBERT UND IST EIN IDIOT lief im Februar 2018 im Wettbewerb der Berlinale. Wie bei fast allen seinen Filmen zeichnete Gröning auch hier für Drehbuch (mit Sabine Timoteo), Produktion, Kamera und Teile des Schnitts verantwortlich. Er war Jury-Präsident der Reihe „Orrizonti“ beim Filmfestival in Venedig 2006, sowie Mitglied der Jury beim FILMFEST MÜNCHEN im Jahr 2009, arbeitete als Gastdozent am California Institute for the Arts und als Professor für Film an der Kunsthochschule Kassel. Er doziert regelmäßig als Gast an der Filmakademie Ludwigsburg, ist Mitglied der Europäischen Filmakademie und der Deutschen Filmakademie, sowie der Bayerischen Akademie der schönen Künste.

Credits

Drehbuch: Philip Gröning
Kamera: Hito Steyerl
Schnitt: Philip Gröning, Alexandra Pohl
Produzent*in: Micha Terjung
Produktion (Firma): Colon-Filmproduktion GmbH
TV-Sender: Westdeutscher Rundfunk (WDR)