RENDEZVOUS MIT AUDREY

Christian Ude

Christian Ude

Von 1993 bis 2014 Oberbürgermeister von München, 24 Jahre lang im Aufsichtsrat der Internationalen Münchner Filmwochen GmbH

Wann ich sie das erste Mal gesehen habe und in welchem Film, das weiß ich nicht mehr. Sie kann die entzückende Prinzessin gewesen sein in EIN HERZ UND EINE KRONE oder die zarte und zauberhafte junge Frau in FRÜHSTÜCK BEI TIFFANY oder die bildhübsche Frau in CHARADE, jedenfalls war es noch in meiner Schulzeit und ich habe mich in ihr graziles, verletzliches Wesen verliebt wie alle in meiner Klasse. Das war nichts Besonderes, das ging jedem so.

Aber etwas Besonderes war es schon, dass ich 1992 ihr Gastgeber und Tischherr sein durfte, nach ihrem Auftritt beim FILMFEST MÜNCHEN. In einem erlesenen Lokal im Isartal. Da fühlte ich mich gar nicht mehr als erfahrener Stammgast seit dem ersten Filmfest 1983, sondern als total aufgeregter Pennäler mit Lampenfieber. Audrey Hepburn persönlich! Und ich mit meinem stümperhaften Englisch! Wie peinlich ist das denn! Und wie spricht man sie überhaupt an? Am schlimmsten war für mich die Vorstellung, dass ich mich sehr gewählt, treffsicher und geistreich ausdrücken möchte, aber mein Wortschatz nur so primitive Floskeln wie „You looked very, very beautiful“ oder „Oh yes, a interesting movie“ hergeben würde. Also habe ich mich am Nachmittag mit dem Übersetzer der Protokoll-Abteilung zurückgezogen und sehr weltmännische Komplimente in obendrein richtiger Aussprache geübt.

Nach der Filmpräsentation fuhren wir in getrennten Wagen zum Lokal, da musste ich also zum Glück mein Pulver noch nicht verschießen. Aber dann saß ich wirklich neben ihr. Neben der zauberhaften Prinzessin Ann. Neben Holly Golightly! Neben der atemberaubenden jungen Witwe aus Paris! Und ich wusste nicht einmal, ob ich mich schon vorgestellt hatte.

Zum Glück plauderte sie einfach los, kein Wort vom Film, aber begeisterte Erzählungen, was sie alles als UNICEF-Botschafterin gesehen hat, in Afrika, Südamerika und Asien. Und dann ein Bombardement von Fragen: Wie viele Straßenkinder es in München gibt. Und wie viele obdachlose Frauen? Wie viel Prozent der Kinder von Sozialhilfe leben? Und welche Ausbildung die erhalten? Und welche Berufschancen die ohne Schulabschluss haben. Das hätte ich nach zwei Jahren als Sozialbürgermeister alles sagen können. Auf Deutsch! Aber wie sagt man das auf Englisch? Dabei hätte ich so geistreiche weltmännische Komplimente machen können. Aber ich bin kein einziges losgeworden.

Und ich habe mich noch mehr begeistert für diese warmherzige Frau, die noch in ihrem letzten Lebensjahr vor allem herausfinden wollte, wie man den ärmsten der armen Kinder auf dieser Welt wirksamer helfen könnte.

1992 Bogen 7 Bild 3