Ulrike Frick

Neues Deutsches Fernsehen

2022 Ulrike Frick

Michael Haneke bescherte mir erstmalig diesen „Moment“, in dem einem unvermittelt ein großes Kunstwerk ins Gesicht knallt und das eigene Dasein oder auch nur Denken für immer verändert.

Schuld ist eigentlich Michael Haneke. Ende der Achtziger, noch zur Schulzeit, wollte ich mit einer Freundin Filmfest-Luft schnuppern. Eventuell auch einen Film ansehen, falls wir eine Karte ergattern könnten. Irgendwie gerieten wir ins Rio Kino und in die Premiere von DER SIEBENTE KONTINENT. Ich war vollkommen hingerissen. Meine Freundin meinte nur: „Den Namen muss ich mir merken. Damit ich nie wieder was von dem anschaue.“

Dank meiner Mutter, die Western und Thriller spätabends im Fernsehen nicht alleine ansehen wollte, hatte ich in dieser Phase zwar schon eine gewisse cineastische Grundierung, nur eben mehr Richtung Hitchcock und Huston, Peckinpah oder Polanski. Im Kino hatte ich sowieso seit „Aristocats“ angesehen, was gerade lief. Herr Haneke bescherte mir aber erstmalig diesen „Moment“, in dem einem unvermittelt ein großes Kunstwerk ins Gesicht knallt und das eigene Dasein oder auch nur Denken für immer verändert. Wegen „All the President’s Men“ und der US-Vorabendserie „Lou Grant“ wollte ich später zwar doch lieber Journalistin werden als Regisseurin. Aber das Kino ließ mich nie mehr los.

Nach einem Volontariat direkt nach dem Abitur studierte ich Geschichte und Germanistik inkl. Promotion. Seitdem schreibe ich, früher mal festangestellt, inzwischen nur noch frei, zu Theater- und Literatur-, Film- und Fernsehthemen. Über meine Arbeit als Chefredakteurin – weil einzige Redakteurin – des Programm-Magazins kam ich 2003 zum Filmfest München. Mittlerweile bin ich dort als Programmkuratorin für alles zuständig, was den Bereich deutschsprachiges Fernsehen betrifft. Den „Moment“ erlebe ich immer mal wieder. Keineswegs nur bei Haneke. Im Kino oder im Theater. Und, allen Mäkeleien am deutschen Fernsehen zum Trotz, öfter auch im TV.