WENN WELTEN KOLLIDIEREN


Ein FREIBAD als Mikrokosmos unserer Gesellschaft – auf die Idee kann auch nur Doris Dörrie kommen. Im einzigen Frauenfreibad Deutschlands badet frau oben ohne, im Bikini, Badeanzug oder Burkini. Jede folgt dabei anderen Regeln, was immer wieder zu Reibereien führt. Als dann auch noch eine Gruppe komplett verhüllter Frauen das Bad begeistert für sich entdeckt, fliegen buchstäblich die Fetzen: Wem gehört das Bad, und wer bestimmt die Regeln?
Dörrie, der unsere diesjährige Hommage gilt, schafft es in ihrer neuen Komödie, neben dem Gefühl sommerlicher Leichtigkeit auch eine Wahrheit über soziale Werte zu vermitteln, die vielen unserer „Culture Clash“-Filme der diesjährigen Auswahl innewohnt: Kampf der Kulturen kann nur dann gutgehen, wenn man sich in der Mitte trifft und voneinander zu lernen bereit ist. Eine Wahrheit, der sich das diverse Figurenpersonal von FREIBAD letztlich stellen muss.

Nicht ganz koscher - eine Göttliche komödie
Ähnlich heiter, mit ernstem Hintergrund erzählt NICHT GANZ KOSCHER – EINE GÖTTLICHE KOMÖDIE eine abenteuerreiche und zugleich ungewöhnliche Buddy-Komödie im und ums Heilige Land. Um den Verkupplungsversuchen seiner Familie zu entgehen, reist der Israeli Ben ins ägyptische Alexandria, um die einst größte jüdische Gemeinde der Welt zu retten. Nachdem er in der Wüste Sinai aus dem Bus fliegt, wird Adel, ein mürrischer Beduine, der sein entlaufenes Kamel sucht, zu Bens letzter Hoffnung. Die beiden ungleichen Männer müssen zusammenarbeiten, um lebend aus dieser Hölle herauszukommen – und dann ist da auch noch Bens konservative Familie, die in Jerusalem auf ihn wartet ... Der Film von Stefan Sarazin und Peter Keller leistet wertvolle Arbeit zum gegenseitigen Verständnis der Kulturen und ist dafür auch für den Fritz-Gerlich-Preis 2022 nominiert.
Auf unerwartete Weise verhandelt Christian Tafdrup in seinem Sundance-Hit SPEAK NO EVIL, wie ein „Culture Clash“ auch aussehen kann: Es beginnt mit einem idyllischen Urlaub in der Toskana, bei dem sich eine dänische Familie mit einer niederländischen anfreundet. Wenige Monate später folgen die Dänen einer Einladung ihrer neuen Freunde. Was ein idyllisches Wochenende in den Niederlanden werden sollte, gerät schnell aus den Fugen.

watcher

speak no evil

petite fleur
Auch in WATCHER von Chloe Okuno wird das Thema in einem spannenden Genrefilm aufgegriffen – ein neuer Job führt das frisch verlobte amerikanische Paar Francis und Julia nach Bukarest. Er spricht die Sprache, ist enthusiastisch aufgrund seiner neuen Aufgabe, sie dagegen sitzt tagtäglich zuhause in der stylischen Wohnung, versteht kein Wort und fühlt sich zu allem Überfluss ständig beobachtet. Was steckt wirklich hinter diesem Gefühl?
PETITE FLEUR von Santiago Mitre ist eine prominent besetzte schwarze Komödie über die Freuden und Leiden eines Argentiniers in Frankreich, durchsetzt mit einigen herrlich blutigen Splatter-Szenen: José, ein Comiczeichner, hätte sich nie erträumt, dass er einmal Hausmann werden würde. Genau das aber passiert, nachdem er mit seiner französischen Freundin Lucie und dem gemeinsamen Baby Antonia nach Clermont-Ferrand gezogen ist. Als José bei seinem Nachbarn etwas ausleihen will, spielt der ihm den Jazz-Standard „Petite Fleur“ vor. Die Situation eskaliert und zu Josés wöchentlicher Routine gehört nun auch das Morden ...
Zum Schluss noch ein „Culture Clash“-Drama der raueren Art: In GODLAND von Hlynur Pálmason reist ein junger dänischer Priester Ende des 19. Jahrhunderts in einen abgelegenen Winkel Islands, um eine Kirche zu bauen und die neue Gemeinde fotografisch festzuhalten. Je tiefer er jedoch ins ungastliche Land vorstößt, desto mehr entfernt er sich von seiner Mission und seiner moralischen Integrität. GODLAND ist ein bildgewaltiges Historiendrama, in dem die göttliche Mission eines einzelnen Menschen und die spirituell aufgeladene Natur Islands wirkungsvoll aufeinanderprallen, was Presse und Zuschauer in Cannes nachhaltig begeisterte.