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NEUE VISIONEN AUS AFRIKA

Michael Stadler
Michael Stadler

Bildstark, experimentierfreudig: Aktuelles Kino vom afrikanischen Kontinent beim FILMFEST MÜNCHEN

NEUE VISIONEN AUS AFRIKA

In diesem Jahr präsentiert das FILMFEST MÜNCHEN unterschiedlichste Narrative, Ästhetiken und Stimmen vom afrikanischen Kontinent. Die bildgewaltigen und politisch virulenten Filme kommen aus Tunesien, Senegal, Marokko, Angola, Kongo und Nigeria. Sie orientieren sich inhaltlich und visuell an bekannten Genremustern, um diese experimentierfreudig und ästhetisch aufregend zu variieren.

So hat die tunesische Regisseurin Kaouther Ben Hania mit LES FILLES D’OLFA (Wettbewerb CineMasters) einen faszinierend vielschichtigen Dokumentarfilm gedreht, der die Grenze zum Spiel nahtlos überschreitet. Der Film handelt von einer Mutter, Olfa, die mit ihren Töchtern in Tunis lebt, dabei zwei von ihnen an den IS in Libyen verliert. Es entsteht eine Lücke, die Kaouther Ben Hania dank professioneller Schauspielerinnen zu füllen versteht. Gemeinsam geben sie nun einen Einblick in das Leben von Olfa und ihren vier Töchtern. Dabei gehört Kaouther Ben Hania zu den etablierten Regisseurinnen des Weltkinos. Ihr erster Spielfilm LA BELLE ET LA MEUTE hatte seine Premiere 2017 in der Reihe „Un Certain Regard“ in Cannes. THE MAN WHO SOLD HIS SKIN (2020) wurde bei der Biennale in Venedig ausgezeichnet und für Tunesien ins Oscar-Rennen geschickt. LES FILLES D’OLFA (englischer Titel: FOUR DAUGHTERS) hatte in diesem Frühjahr seine Weltpremiere im Wettbewerb von Cannes.

Spielzeiten: Dienstag, 27.6., 17.30 Uhr, Rio 1; Samstag, 1.7., 17 Uhr Filmmuseum


Auch BANEL E ADAMA wurde in Cannes uraufgeführt – als einziger Debütfilm im Wettbewerb. Ähnlich wie Kaouther Ben Hania studierte die französisch-senegalesische Regisseurin Ramata-Toulaye Sy an der berühmten Pariser Filmhochschule La Fémis, wo sie im Bereich Drehbuch 2015 ihren Abschluss machte. Ihr Langfilmdebüt handelt von zwei Liebenden, Banel (Khady Mane) und Adama (Mamadou Diallo), die in einem Dorf im Norden Senegals leben, dabei im Einverständnis mit sich und den anderen verheiratet sind, aber zunehmend in Konflikt mit der Gemeinschaft geraten. Ramata-Toulaye Sy hat den Film mit Laiendarsteller:innen aus der Region gedreht. Das furios gespielte Drama über den Versuch, sich selbst in einer von Traditionen bestimmten Welt zu behaupten, läuft bei uns im Wettbewerb CineVision.

Spielzeiten: Samstag, 24.6., 17.30 Uhr, Rio 1; Sonntag, 25.6., 18 Uhr; City 3

Banel Und Adama Online2

Banel e Adama

Animalia Online2

Animalia

Ebenfalls im Wettbewerb CineVision ist ANIMALIA der französisch-marokkanischen Regisseurin Sofia Alaoui zu sehen. Geboren in Casablanca als Tochter eines marokkanischen Vaters und einer französischen Mutter, wuchs sie zwischen Marokko und China auf. Nach ihrem Schulabschluss in Casablanca zog sie nach Paris, wo sie, unter anderem auch an der La Fémis, ihr Regiehandwerk lernte. 2017 kehrte Sofia Alaoui nach Marokko zurück und gründete dort ihre eigene Produktionsfirma, Jiango Films. Nachdem ihr letzter Film QU’IMPORTE SI LES BÊTES MEURENT/SO WHAT IF THE GOATS DIE den Großen Preis der Jury in Sundance 2020 und den César für den besten Kurzspielfilm 2021 gewann, legt sie mit ANIMALIA ihr Langfilmdebüt vor, das ebenfalls in Sundance uraufgeführt wurde – ein atmosphärisch dichtes Sci-Fi-Drama, das auch von den Klassenunterschieden in Marokko erzählt.

Spielzeiten: Montag, 26.6., 18 Uhr, Astor Club Kino; Mittwoch, 28.6., 19 Uhr, City 2

 

Im Umgang mit Genre-Elementen zeigen sich die Filmemacher:innen genauso versiert wie freimütig, um dabei auch politische Inhalte zu vermitteln. So lässt Carlos Conceição in seinem zweiten Spielfilm NAÇÃO VALENTE (Reihe: International Independents) mittendrin ganz locker in den Zombiefilm gleiten. Selbst 1979 in Angola geboren, beschäftigt Conceição sich mit der Situation des Landes im Jahr 1974, als der Unabhängigkeitskrieg fast beendet und ein Großteil der portugiesischen Kolonialmacht aus Angola vertrieben war. Ein ganzes portugiesisches Bataillon hält noch wacker die Stellung, bis es sich mit den Geistern der Vergangenheit konfrontiert sieht… Der Film feierte seine Premiere in Locarno 2022 und wurde dort mit dem „Europa Cinemas Label“ ausgezeichnet. Carlos Conceição kommt zu beiden Vorstellungen seines Filmes nach München und stellt sich den Fragen des Publikums.

Spielzeiten: Montag, 26.6., 20 Uhr, Filmmuseum; Dienstag, 27.6., 19 Uhr, City 2

Nacao Valente Online1

NAÇÃO VALENTE

Omen Online

Augure

Mami Wata Online2

Mami wata

ZOMBIES – so hieß der dritte Kurzfilm von Baloji, für den er fünf internationale Festivalpreise gewann. Mit AUGURE/OMEN gibt der im ehemaligen Zaire (heute: Demokratische Republik Kongo), dann in Belgien aufgewachsene Star-Rapper nun sein Langfilmdebüt, in dem das Übernatürliche ebenfalls seinen festen Platz zu haben scheint. „Zabolo“ wird Koffi genannt, was ein teuflischer Beiname ist. Hat er etwa dunkle Zauberkräfte? Nach jahrelanger Ächtung kehrt er mit seiner Gattin in spe an seinen Geburtsort Lubumbashi zurück und sieht sich erneut mit Vorurteilen konfrontiert. AUGURE wird im Wettbewerb CineRebels gezeigt, Baloji wird bei beiden Vorstellungen für ein Q&A anwesend sein.

Spielzeiten: Mittwoch, 28.6., 17.30 Uhr, City 1; Donnerstag, 29.6., 22 Uhr; City 2

 

Während in AUGURE an Zauberer und Hexen geglaubt wird, taucht MAMI WATA in den Kosmos eines westafrikanischen Dorfes ein, in dem vor allem die titelgebende, mütterliche Wassergottheit verehrt wird. Als Kinder mysteriös verschwinden, geraten die Einheimischen in einen gewaltsamen Konflikt der Glaubensvorstellungen. Der neue Film des nigerianischen Regisseurs C.J. „Fiery“ Obasi bietet visuell atemberaubendes Kino in Schwarz-Weiß und gewann beim Sundance Film Festival 2023 den Special Jury Award for Cinematography. Beim Filmfest wird C.J. „Fiery“ Obasi bei beiden Vorstellungen (Wettbewerb CineRebels) anwesend sein.

Spielzeiten: Mittwoch, 28.6., 20.30 Uhr, City 1; Donnerstag, 29.6., 17 Uhr, Filmmuseum

 

Am Donnerstag, den 29.6., findet um 15 Uhr ein Filmmakers Live! zum Thema „New Visions From Africa“ im Amerikahaus/Karolinensaal statt. Gemeinsam mit Programmer Bernhard Karl diskutieren Regisseur Baloji (AUGURE) und drei Beteiligte an MAMI WATA (Regisseur C.J. „Fiery“ Obasi, Produzent Oge Obasi und Hauptdarstellerin Evelyne Ily) über ihre Werke sowie ihre Hoffnungen fürs afrikanische Kino und die Herausforderungen, mit denen sie in ihren Ländern täglich konfrontiert werden.

Sprache: Englisch

Offen für alle. Eintritt frei – first come, first served!

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