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Politik und Reflexion

Antonia Mahler
Antonia Mahler

Das FILMFEST MÜNCHEN präsentiert in diesem Jahr eine Vielfalt an Dokumentarfilmen.

Politik und Reflexion

In einigen Feldern übertrifft der Dokumentarfilm oder die hybride Erzählform oft fiktionale Formate. Dazu gehören politische Themen wie sie im diesjährigen Filmfest-Programm in Fülle vertreten sind.

LES FILLES D’OLFA ist ein experimenteller Dokumentarfilm der tunesischen Regisseurin Kaouther Ben Hania. Olfa ist Mutter von vier Töchtern. Zwei davon haben sich radikalisiert, um sich dem Islamischen Staat in Libyen anzuschließen. Es entsteht eine Lücke, die die Regisseurin von professionellen Schauspielerinnen in der Reihe CineMasters füllen lässt.

In IM STILLEN ERWACHEN begleiten die jungen Filmemacher:innen Kinder, die aus der Ukraine geflohen sind und jetzt in einer ehemaligen deutschen Wehrmachtskaserne leben. Während die Kinder eine neue Sprache lernen und den Ort adaptieren, entstehen Bezüge zwischen Vergangenheit des Ortes und der Gegenwart der jungen Protagonist:innen.

1945, nach seiner Befreiung aus Auschwitz, beginnt Yechiel De-Nur zu schreiben. Seine Bücher werden millionenfach verkauft und in 32 Sprachen übersetzt. Er therapiert seine Traumata mit LSD und schreibt darüber einen Erlebnisbericht, der alles verändert: THE RETURN FROM THE OTHER PLANET läuft als Dokumentation auf dem FILMFEST MÜNCHEN.

Les Filles D'olfa Online

les filles d'olfa

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Im Stillen erwachen

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THE RETURN FROM THE OTHER PLANET

Kriegsverbrechen und die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs ICC werden in WAR AND JUSTICE betrachtet. Im Mittelpunkt steht Luis Moreno Ocampo, der erste Chefankläger des ICC. Der Film wirft die Frage auf, ob Angriffskriege vor Gericht gebracht werden können, wenn die mächtigsten Nationen immer noch nicht bereit sind, den ICC als globales Gericht anzuerkennen.

Für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung steht auch unsere diesjährige Kooperation mit dem Museum Brandhorst die von der Künstlerin A.L. Steiner feminstisch-queerem Fokus kuratiert wurde. Unter dem Titel URANIANS zeigt die Reihe das Kurzfilmprogramm APHRODITE URANIA, welches u.a. dokumentarische Kurzfilme enthält und zwei dokumentarische Langfilme.

In ORLANDO, MEINE POLITISCHE BIOGRAFIE schreibt der Philosoph und trans-Aktivist Paul B. Preciado einen filmischen Brief an Virginia Woolf und zeigt auf, wie ihre Figur Orlando Wirklichkeit geworden ist. Dabei schlüpfen 25 trans- und nicht-binäre Menschen in die Rolle von Orlando und erzählen ihre persönlichen Geschichten.

THE STROLL, auch Teil der Reihe URANIANS, erzählt von den PoC Transgender-Frauen, die den legendären New Yorker Meatpacking District über Jahre hinweg geprägt haben. Hier entwickelte sich einst eine Undergroundszene, in der Trans-Sexarbeiter:innen lebten und liebten, nachdem sie lange an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden.

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ORLANDO, MEINE POLITISCHE BIOGRAFIE

The Stroll Online

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90 Prozent aller Deepfakes im Internet sind pornografisch. Der selbstreferenzielle Dokumentarfilm ANOTHER BODY thematisiert den Kampf gegen pornografische Deepfakes und deren Konsequenzen. Betroffene Opfer entscheiden sich, den Täter gemeinsam ausfindig zu machen. Dabei stoßen sie auf eine verstörende Parallelwelt voll toxischer Männlichkeit.

Der ebenso medienkritische Film AND THE KING SAID, WHAT A FANTASTIC MACHINE beleuchtet auf humorvolle Weise den rasanten Aufstieg des Bewegtbilds und dessen gravierenden Einfluss auf unsere heutige Gesellschaft. Er zeigt, wie visuelle Medien unser Verhalten verändert haben und informiert dabei aufschlussreich auch für ein ganz junges Publikum.

Ein Blick nicht nur auf die Medien, sondern das Medium Kino selbst wagt Kleber Mendonça Filho. In RETRATOS FANTASMAS erkundet der Regisseur seine nordbrasilianische Heimatstadt Recife. Dabei nimmt er die verschwundenen Kinopaläste, die Ruinen des einst mondänen Zentrums und sein Viertel am Meer in den Fokus.

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Fragments of paradise

Zwei weitere dokumentarische Arbeiten setzen sich mit dem Filmemachen selbst auseinander. FRAGMENTS OF PARADISE gibt einen Einblick in die Geschichte des US-Indie-Kinos anhand des Avantgarde-Pioniers Jonas Mekas. Über 70 Jahre lang dokumentierte er sein Leben in persönlichen und experimentellen Tagebuchfilmen und leistete unschätzbare Pionierarbeit für den US-amerikanischen Independent-Film. YOU CAN CALL ME BILL hingegen erzählt die faszinierende Lebensgeschichte von Schauspielikone William Shatner alias Captain Kirk aus neun Dekaden.

Es bleibt weiterhin sehr persönlich, wenn die isländischen Frauen Álfrún, Hrefna und Saga sich noch ein Jahr Zeit geben für den Traum, Popstars zu werden, obwohl sie bereits knapp vierzig sind. Der Dokumentarfilm BAND porträtiert ihre Suche nach Erfolg und künstlerischer Erfüllung.

Sylvain Cruiziat, der Regisseur von BOYZ, begleitet seinen jüngeren Bruder und dessen Expat-Freunde durch ihren unbeschwerten Studentenalltag in München. Doch das Ende ihrer Bromance naht, denn schon bald müssen sich die Jungs voneinander verabschieden. Hier wird deutlich, dass hinter der Fassade der männlichen Jugend oft mehr steckt, als auf den ersten Blick vermutet.

Komplexe Lebensgeschichten und politische Biografien bilden den Schwerpunkt der diesjährigen Dokumentarfilme und ermöglichen uns erhellenden Blicke in fremde Welten, dabei spielen digitalen Medien und ihre psychologischen Auswirkungen auf die Gegenwart eine entscheidende Rolle mit der wir uns auseinandersetzen müssen.

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